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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi
Autoren: Brigitte Riebe
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Provinz lebte, in der Lage sein, richtig einzuschätzen und zu beurteilen, woran vor ihm andere bereits kläglich gescheitert waren?
    Nichts als müßige Fragen, die sich ein getreuer Jünger des heiligen Franz am besten gar nicht stellt, dachte er, während er das flache Bündel mit seiner Kutte und den Hosen öffnete und in beides geschwind hineinschlüpfte. Johannes von Parma, der unserer Ordensgemeinschaft weise und väterlich zugleich vorsteht, wird schon wissen, was er von wem verlangen kann!
    Kaum hatte der raue Stoff seine Haut berührt, schien die Verwandlung bereits in vollem Gange, und als er sich auch noch mit dem dreiknotigen Strick der Tugend gegürtet hatte und die harten Sandalenriemen wieder an den nackten Füßen spürte, war sie gänzlich vollzogen: Aus dem Edelmann Leonhart von Falkenstein, der in Eisen und Leder über die Alpen gezogen war, war wieder Bruder Leo geworden, der nach einem langen Weg sein Ziel nun bald erreicht haben würde.
    Seine Hände fuhren über den Kopf, und jetzt erhellte ein verschmitztes Lächeln seine Züge. Offenbar hielt die Natur ihn noch immer fest in ihren Krallen. Sein Haarwuchs war so kräftig, dass man die Tonsur kaum noch wahrnehmen konnte, was seiner Tarnung bislang zugutegekommen war. Beim nächsten Kloster der Minderen Brüder würde er dafür Sorge tragen, dass alles wieder so aussah, wie die Regel es gebot.
    Sich mit dem Schwert zu gürten, wie zunächst geplant gewesen war, hatte er strikt verweigert, dazu liebte er seine Gelübde viel zu sehr. Doch was sollte er mit dem lästigen Dolch anfangen, den er noch immer mit sich herumschleppte? Zutiefst angewidert, mochte er auch ihn kaum noch anfassen. Blut klebte an ihm, auch wenn seine Klinge
mittlerweile wieder silbrig glänzte, Blut, das ein noch viel schlimmeres Unrecht nicht hatte verhindern können. Und dennoch hatte der Dolch ihm das Leben gerettet.
    Damit freilich sollte sein frevlerischer Dienst beendet sein!
    Aus einem plötzlichen Impuls heraus bückte sich Leo nach ihm, ergriff ihn und holte weit aus, um ihn in den See zu schleudern, hielt aber inne, als seine Stute, die er an einen Baum gebunden hatte, warnend zu wiehern begann.
    Ein gutes Stück entfernt war Simone gerade dabei, das kleine Holzboot ins Wasser zu lassen; Pietro und Andrea, die beiden älteren Söhne, mager und krummbeinig wie er, halfen ihm dabei. Keiner von ihnen sollte ihn in seiner wirklichen Gestalt sehen, um nicht auf törichte Gedanken zu kommen. Also ließ er die Waffe unverrichteter Dinge in seine Satteltasche gleiten, band Fidelis los und saß auf.
    Das Bündel mit den nutzlos gewordenen Kleidungsstücken hatte er gut sichtbar auf einem großen Stein am Ufer zurückgelassen. Er wusste, dass die Fischer dort jeden Tag anlegten, um ihre kostbaren Reusen trocknen zu lassen.
    Sie würden sich wundern, so viel war gewiss, und beinahe tat es ihm leid, dass er ihre staunenden Gesichter nicht mehr sehen konnte. Vielleicht würden sie ja eines Tages ihren Kindern die Sage vom fremden Ritter und seinem lahmen Pferd erzählen, der alle Kleider als Geschenk zurückgelassen hatte, bevor er über Nacht mitsamt der Stute wie ein flüchtiges Traumbild im See verschwunden war.
    Die Menschen südlich des Alpenkamms, so kam es ihm vor, schienen solche Legenden ganz besonders zu lieben.

    Das Haus war erwacht, früher als gewöhnlich, weil die Zeit bis zu den Festlichkeiten von Tag zu Tag schneller zusammenzuschnurren schien. Unten, in der großen Küche, hörte sie die Mägde beim Schüren des riesigen Brotofens rumoren. Wenig später würden Gemüseputzen und Geflügelrupfen an die Reihe kommen, damit die Minestrone, die lange köcheln musste, um die gewünschte Sämigkeit zu bekommen, rechtzeitig angesetzt werden konnte. Gaia und Carmela waren wie beinahe jeden Morgen damit beschäftigt, dazu Rufina sowie die alte Toma, die schon seit Ewigkeiten hier diente und wegen ihres fortschreitenden Gichtleidens seit dem Winter nur noch leichtere Arbeiten verrichten konnte. Aber es gab auch einige neue Mädchen und Frauen aus der Unterstadt, deren Namen sie sich noch nicht gemerkt hatte, weil sie erst kürzlich als zusätzliche Unterstützung für die anstehenden Hochzeitsvorbereitungen eingestellt worden waren.
    Simonettas klangvoller Alt, der lautstark Anweisungen erteilte, übertönte alles andere, und aus jedem Wort, das sie an das Gesinde richtete, schwang das Selbstbewusstsein der reichen Kaufmannsgattin, der Befehlen zur zweiten
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