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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame
Autoren: Michael Braun
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sein soll.“
    „ Zur Grenze hin. Zum Bahnhof . “
    „Gibt e s hier denn einen?“
    „Die andere Richtung. Bessarabeska. Wo der Grenzposten nach Moldawien sein soll. Und kurz davor ist der Gasthof von Familie Draguschek. E ure Pension muss dicht dabei sein, d rei oder vier Häuser weiter. Da habt ihr zwei Zimmer, eins für euch und eins für die Kinder.“
    „Dann alle wieder einsteigen“, singsangt Kali, „es geht wei-ter!“
    „Aber erwarte nicht zu viel. Wir sind nicht in Odessa.“
     
    „Hinter dem Hof das Land, das ist alles eine Kolchose“, sagt Georg, als er mit Lilli, Kal i und Rosina vor einem Lebensmittelladen sitzt und Tee trinkt. „Fünfhundert Milchkühe und zweitausend Schafe sollen sie haben. Aber am schlimmsten finde ich das mit dem Friedhof. Nichts nach, alles eine grüne Wiese. Kein einziger Grabstein steht mehr. Selbst an den Toten haben sie sich gerächt. “
    Lilli seufzt. „Da ruht unsere liebe Mutter.“
    „Ist das eine Hitze“, sagt Rosina. „Im Mai.“
    „Anna hat geweint“, sagt Kali und bildet mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis . „So eine Beule hat sie an der Wade.“
    „Wahrscheinlich eine Bremse“, sagt Lilli. „Das heilt schon wieder.“
    „Ich hab e dem Draguschek gesagt, erstmal für drei Nächte“, sagt Georg. „Danach müssen wir sehen. Ist ein vernünftiger Mann, dieser Draguschek. Der hat das ganze Haus für uns umgeräumt, glaube ich.“
    „Unten ist eine kleine Gaststube“, sagt Lilli. „ Drei Tische und Plastikstühle. Da kochen sie auch. Seine Frau und die eine Tochter. Und Wodka haben sie. “
    „Die Männer tragen hier alle Trainingsanzüge“, sagt Kali.
    „Aber hast du gesehen? – nur die Männer“, sagt Georg. „Die Frauen dürfen nicht. Ist nicht wie in Amerika. Die tragen alle noch ihre Bauernröcke und Kopflappen.“
     
    Alma, Lilli, Minna und Georg machen sich auf die Suche: ihr altes Haus an der Kälber Drift.
    „Lasst erst mal nur uns vier gehen“, hat Alma gesagt. „Dass wir die Leute nicht erschrecken. Man weiß ja nicht, wie die sich fühlen, wenn plötzlich die Deutsche n an der Tür stehen und klingeln. Die denken vielleicht... “
    „Ein Wunder, dass es noch steht“, sagt Lilli.
    „Ich würde sagen, ein Drittel der Höfe ist nicht mehr“, sagt Georg. „ Eher noch mehr.“
    Eine Frau Popescu macht ihnen auf. Sie ist erst reserviert, dann, als die Besucher einige Worte Russisch sprechen und Georg ihr Blumen und einen Umschlag gibt, sehr freundlich. Sie bittet sie ins Haus. Minna fängt plötzlich zu weinen an, und Frau Popescu weint mit , keiner weiß so recht , warum.
    Das Altenteil riecht streng. Frau Popescu züchtet dort Meerschweinchen in Käfigen, für die Felle, sagt sie, aber sie sagt es geziert. „Wollen wir hoffen, dass sie die nicht essen muss“, sagt Georg zu Lilli, auf Deutsch. Die Sommerküche, die Ställe, die Maiskörbe und die Walnussbäume sind weg. Hintendu rch ist es verwildert, mi t Sonnenblumen, Kartoffeln und unreifen Fleischt omaten, die von Holzpfählen gehalten werden. Eine Garage aus Betonplatten steht fünfzig Schritte hint er dem Haus, mit einem Tor, das Rost von unten angefressen hat. Minna lässt Petru s von der Leine. „Lauf mal, du“, sagt sie. Der Dackel sieht zu ihr hoch und bewegt sich nicht von der Stelle. „Was willst du? Willst du eine schöne Weintraube?“
    Georg geht mit Frau Popescu die Namen durch – Giese, Ziegelmacher, Dressner, Pleskow , Stelter, Lobgott, die Turms, die Trautmanns, die Krafts , die Sackmanns . Sie schüttelt d en Kopf.
    „Nicht?“, sagt Georg enttäuscht. „Und Zedel? Eine alte Bulgarin, unten am Fluss. Die ha tte einen Sohn, Isman hieß er, i mmer launisch und zänkisch. Der könnte noch leben. Sie war so eine Kräuterfrau. Nicht dumm im Kopf.“
    „Nein. Auch nicht“, sagt sie. „Tut mir leid.“
    „Mensch, Mensch, Mensch“, sagt Georg zu seinen Schwestern. „Kann man nicht sagen, dass hi er jemand auf uns gewartet hätte .“
    „Warum sollten sie auch ? “, sagt Lilli. „Sie haben ihr Leben, und wir hatten unseres.“
    „Aber keiner , der einen kennt? Nicht einmal irgendeinen Namen?“
    „Als hätte es uns nie gegeben“, sagt Minna. „Georg, sei so g ut und schieb mich durch den Hinterhof . Vielleicht stehen die Sträucher noch. Die Träuble und die Stach elbeeren. Und der alte Bahndamm? Kann man so etwas wegmachen? “
    „Wer weiß das? Die Pflanzen sind garantiert tot. Die halten nicht lan ge. Ein paar Jahre, dann stirbt e
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