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Bradbury, Ray - Halloween

Bradbury, Ray - Halloween

Titel: Bradbury, Ray - Halloween
Autoren: Halloween
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Jungen sprachen es flüsternd nach:
»Der Halloweenbaum …«
Und dann herrschte Stille.
Und in dieser Stille entzündeten sich die letzten
    Dreier- und Vierergruppen von Kerzen auf dem Halloweenbaum. Sie woben mit den anderen Lichtern
gewaltige Konstellationen zwischen den schwarzen
Ästen und blinkten durch dürre Blätter und Zweige
auf sie herab.
    Und nun war der Baum ein einziges greifbares
Grinsen.
Auch die letzten Kürbisse waren jetzt erleuchtet.
Die Luft rings um den Baum war altweibersommerlau. Der Baum blies rußigen Rauch und den Geruch
von rohen Kürbissen über sie.
»Mann!« sagte Tom Skelitt.
»Was ist hier eigentlich los?« fragte Henry-Hank,
die Hexe. »Ich meine, erst das Haus und dieser Mann
und ›Hier gibt es nichts, hier wird nur gehext‹, und
jetzt … So einen Baum hab ich noch nie gesehen.
Wie ein Weihnachtsbaum, bloß viel größer. Und all
diese Kürbisse und Kerzen … Was soll das? Was
wird hier gefeiert?«
»Gefeiert!« ertönte ein gewaltiges Flüstern von
irgendwoher. Vielleicht kam es aus dem rußigen
Schacht eines Kamins, vielleicht öffneten sich hinter ihnen aber auch alle Fenster des Hauses gleichzeitig, wie Münder, vielleicht glitten sie jetzt gerade in ihren Führungen hinauf und hinunter und
sprachen das Wort »Gefeiert!« mit einem Ausatmen von Finsternis. »Ja …« sagte das mächtige
Flüstern und ließ die Kerzen in den Kürbissen
erbeben, »… gefeiert …«
Die Jungen fuhren herum.
Doch das Haus stand still und schwieg. Die Fenster waren geschlossen und bis zum Rand gefüllt mit
Seen aus Mondlicht.
»Der letzte ist ‘ne Trantüte!« rief Tom plötzlich.
Ein Blätterhaufen – ein Haufen aus altem Feuer,
altem Gold – wartete auf sie.
Und die Jungen rannten los und stürzten sich auf
den riesigen, herrlichen Berg aus Herbstschätzen.
Doch in dem Augenblick des Eintauchens, als sie
sich gerade drängelnd, schreiend, stoßend, fallend in
das Laub stürzen wollten, gab es ein großes Luftschnappen, ein erschrecktes Einatmen. Die Jungen
quietschten und sprangen zurück, als wären sie von
einer unsichtbaren Peitsche getroffen worden.
Denn aus dem Laubhaufen reckte sich ganz von
allein eine weiße Knochenhand.
Und gleich darauf erschien, zunächst noch halb
von Blättern verborgen, aber dann um so besser
sichtbar, je höher er sich erhob, ein weißer, breit
grinsender Totenschädel.
Und was eben noch ein wunderbarer Haufen aus
Eichen-, Ulmen- und Pappelblättern gewesen war, in
dem man herumstapfen und versinken und sich verstecken konnte, war nun das allerletzte auf dieser
Welt, wo die Jungen sein wollten, denn die weiße
Knochenhand fuhr durch die Luft, und der weiße Totenschädel stieg höher und schwebte vor ihnen.
Die Jungen wichen zurück, stießen zusammen,
keuchten in panischer Angst, und schließlich fielen
sie wild durcheinander zu Boden und zappelten und
rissen in ihrem Bemühen, freizukommen und sich
aufzurappeln und davonzurennen, Grasbüschel aus.
»Hilfe!« riefen sie.
»Ja, natürlich, Hilfe«, sagte der Totenschädel.
Sein schallendes Lachen ließ sie erstarren, als die
schwebende Hand, die Skeletthand, nach dem weißen Totenschädelgesicht griff – und es abnahm.
Die Jungen blinzelten hinter ihren Masken ungläubig mit den Augen. Auch wenn es niemand sehen konnte: Der Unterkiefer fiel ihnen hinunter.
Der riesige, schwarz gekleidete Mann erhob sich
immer höher und höher aus dem Blätterhaufen. Er
wuchs wie ein Baum. Er reckte Äste, die in Wirklichkeit Hände waren, in die Luft. Seine Gestalt
zeichnete sich vor dem Halloweenbaum ab, und seine ausgestreckten Arme und die langen, weißen,
knochigen Finger waren mit feurigen, orangeroten
Kugeln und brennenden Grinsemündern geschmückt.
Er lachte lauthals und kniff dabei die Augen zusammen. Sein Mund war weit aufgerissen, damit der
Herbstwind herausfahren konnte.
»Hier gibt es nichts, Jungs, nein, hier gibt es
nichts! Hier wird nur gehext! Nur gebext!«
Sie lagen da und warteten auf das Erdbeben. Und
dann kam es. Das Gelächter des großen Mannes
packte den Boden unter ihnen und schüttelte ihn. Die
Erschütterung fuhr durch ihre Knochen und zu ihrem
Mund hinaus und nahm die Gestalt von noch mehr
Gelächter an.
Sie saßen erstaunt um die Überreste des zertretenen Blätterhaufens herum. Sie hoben die Hände tastend an die Masken und spürten die heiße Luft, die
sie in kleinen Stößen aus leise hallendem Lachen
hervorstießen.
Sie sahen den Mann an, als
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