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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren
Autoren: Wolfgang Brenner
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Gesicht schützen mussten. Aber immerhin – Miller sah es jetzt auch.
    Er rannte los, packte einen der Schläuche, die die Feuerwehrleute abgelegt hatten, und zog daran, doch der Schlauch war voller
     Wasser und schwer. Als ich verstand, was er vorhatte, packte ich mit an. Gemeinsam schafften wir es. Wir brachten den |25| Schlauch in Position, und Alain gelang es, ihn aufzudrehen. Er hatte Probleme, den Strahl zu kontrollieren. Doch nach einigen
     Versuchen lenkte er das Wasser zu der Stelle, an der sich das Lebewesen befand. Er vermied es, dieses Etwas, das über und
     über mit Asche bedeckt war, direkt zu treffen, er wässerte nur die Umgebung, um die Hitze etwas zu dämpfen.
    Inzwischen hatten die Feuerwehrleute bemerkt, dass Miller sich ihres Schlauches bediente. Sie begannen zu murren, aber im
     Beisein der Frau Bürgermeister wollte wohl niemand wirklich laut werden. Einer von ihnen richtete den Scheinwerfer, der bisher
     das Dach der Ruine erleuchtet hatte, auf die Stelle, die Alain im Visier seines Schlauches hatte. Im gleichen Augenblick traf
     der Wasserstrahl das unglückliche Opfer.
    Es sprang auf und schüttelte sich.
    Ein Hund. Es war ein Hund. Ein ziemlich großes Tier von undefinierbarer Rasse. Das Feuer hatte ihm das Fell weggesengt. Seine
     nackte Haut war an einigen Stellen schwarz verbrannt. Jetzt erst sah ich, dass der Hund etwas zwischen den Zähnen hatte. Einen
     Schuh. Einen klobigen Herrenschuh. Der Hund schleuderte den Schuh gegen die Mauer und rannte davon, verschwand in den Feldern,
     die bis an den Wackesberg heranreichten.
    Ein Schuh!
    »Wir müssen sofort den Wackesberg durchkämmen!«, forderte ich den Einsatzleiter auf.
    Doch seine Leute hatten mittlerweile schon mehr als einen Schnaps getrunken. Der Brand interessierte sie nicht mehr sonderlich.
     Einige schwatzten noch mit der Frau Bürgermeister, andere drängten zum Aufbruch und rollten bereits die Schläuche ein. Die
     Straße war voller Wasser, das weißlich aus den Hydranten und aus den Schlauchenden quoll – aber der Wackesberg glühte noch.
    »So tun Sie doch was! Möglicherweise hält sich ein Mensch in der Ruine auf!«, brüllte ich und packte den Feuerwehrhauptmann
     am Arm.
    |26| Der Einsatzleiter schaute mich kopfschüttelnd an.
    »Das alte Gemäuer glüht wie ein Hochofen. Ich kann keinen meiner Männer hineinschicken. Im Übrigen hätte kein Mensch diesen
     Brand überlebt.«
    Lotte war hinzugetreten. Ein Grund mehr, entschlossen zu bleiben.
    »Falls wir später eine Leiche auf dem Wackesberg finden, werde ich Sie zur Verantwortung ziehen«, drohte ich.
    Der Feuerwehrhauptmann schaute erst mich an, dann Lotte.
    »Alle Schläuche wieder ausrollen!«, schrie er zum Wagen hinüber.
    Seine Leute maulten. Als sie aber sein verbissenes Gesicht sahen, schlossen sie die Schläuche wieder an die Hydranten an.
    »Alles auf die Mauerreste richten!«, befahl der Einsatzleiter. Ich sah ihm an, dass er die Schläuche am liebsten auf mich
     gerichtet hätte.
    Die Feuerwehr aus Metz zeigte, was sie draufhatte. Noch einmal gingen ungeheure Wassermassen auf den Wackesberg nieder. Die
     Nachtluft war voller Dampf, feine Tröpfchen setzten sich auf der Kleidung ab. Dann ein fürchterliches Knirschen. Alles erstarrte
     – der Einsatzleiter befahl augenblicklich den Stopp der Wasserkanonade.
    Es war erst ganz still. Dann brach die Außenmauer der Ruine heraus und gab den Blick ins Innere frei. Wie in einer großen
     Oper. Der Scheinwerfer der Metzer irrte ziellos umher. Dann schrie jemand hell auf. Ich glaubte, Lottes Stimme zu erkennen.
     Der Schweinwerfer suchte zaghaft seinen Weg zurück. Er blieb stehen.
    Im Dachgebälk des Hauptgebäudes hing ein Mensch.
     
    I ch bat Alain Miller, zur Bewachung des Wackesberges zurückzubleiben. Er protestierte nicht. Offensichtlich wäre er sowieso
     nicht nach Hause gegangen. Solange auf dem Wackesberg noch ein Funken glimmte, wollte er dabei sein und für Ordnung sorgen.
     Ich wunderte mich wieder einmal, wie unterschiedlich |27| meine beiden französischen Kollegen doch waren: der eine ein fanatischer Pflichtmensch, dem nichts wichtiger war als seine
     Arbeit, der andere ein Müßiggänger, dessen einzige Kunst darin bestand, den Mühen aus dem Weg zu gehen und nur das Allernötigste
     mit dem geringsten Aufwand zu erledigen.
    Es war inzwischen früher Morgen. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich fuhr ins Revier und informierte meine vorgesetzten
     Dienststellen in Metz und Saarbrücken. Es
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