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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren
Autoren: Wolfgang Brenner
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galt nun, schnellstens Spuren zu sichern. Doch in Metz zögerte der Kollege von der
     Kriminalpolizeidienststelle, die für Kapitalverbrechen in der Region zuständig war.
    »Wahrscheinlich hat der Kerl sich erhängt«, sagte er und gähnte. »Das kann der Amtsarzt klären.«
    »Und was ist mit dem Feuer? Auf dem Wackesberg gab es nichts Brennbares. Da waren nur alte Mauern. Das riecht nach Brandstiftung.
     Die Feuerwehr war schon alarmiert, da haben wir hier alle noch friedlich geschlummert.«
    Der Mann in Metz lachte böse. »Das kann aber auch an euch liegen, Kollege.«
    Er sprach das Wort »Kollege« so aus, dass es wie ein schlechter Witz klang. Ich wurde wütend.
    »Hören Sie, wenn Sie keinen Erkennungsdienst kommen lassen, werden wir hier die Spuren sichern – soweit uns das mit unseren
     Kräften möglich ist.«
    Als ich nach Hause kam, war es halb sieben.
    Die Rollläden bei Lotte waren geschlossen. Im Flur waren alle Lichter gelöscht. Ich ging in meine Wohnung, um noch zwei Stunden
     zu schlafen. Allein – so schwer mir das an diesem grauen Morgen auch fiel.
     
    U m halb neun war ich wieder draußen am Wackesberg. Der Erkennungsdienst aus Metz war mittlerweile eingetroffen. Die Beamten
     arbeiteten sich in weißen Overalls durch die noch heiße Ruine.
    |28| Alain Miller saß in seinem Wagen. Als ich zu ihm ging, um ihn ins Bett zu schicken, musste ich feststellen, dass er bereits
     schlief.
    Kurz vor neun erschien auch Straßer. Er gähnte und schien sich nicht sonderlich für die Vorkommnisse der Nacht zu interessieren.
    »Das machen doch die Kollegen aus der Stadt«, sagte er.
    »Ich überlege, ob wir den Fall nicht an uns ziehen.«
    »Das wird nicht gehen«, entgegnete Straßer gelangweilt. »Das ist hier nicht anders als in Deutschland.«
    Zwei Männer in weißen Overalls und Kapuzen grätschten mit ihren Alukoffern über das Absperrband. Sie hatten etwas in einem
     Klarsichtsack. Als sie näher kamen, sah ich, dass es sich um eine tote Ratte und eine Konservendose handelte. Der Kollege
     warf den Sack in die Böschung am Straßenrand.
    Auch Dr. Chariot hatte seine Arbeit beendet. Miller und Straßer legten den Toten in einen Zinksarg. Der Schaurener Arzt drückte
     Straßer die Hand – es sah aus, als kondolierte er ihm.
    »Der Leichnam soll in die Schaurener Leichenhalle. Er ist so verkohlt, dass seine Identität nicht ohne Weiteres festzustellen
     ist. Ich kann nicht mal sagen, ob er aus Schauren ist oder ein Auswärtiger. Auf jeden Fall kann ich als Mediziner guten Gewissens
     bestätigen, dass er tot ist – und zwar schon mindestens acht bis zehn Stunden. Der Tod ist durch Strangulation eingetreten.
     Selbstmord durch Erhängen, schätze ich. Aber das soll der Gerichtsarzt entscheiden. Ich stelle bloß den Totenschein aus. Der
     Gerichtsarzt soll ihn ebenfalls unterschreiben, damit alles seine Richtigkeit hat. Ach, übrigens – der Tote trägt nur einen
     Schuh.«
    Ohne auf meine Entgegnung zu warten, schlurfte der Arzt zu seinem Wagen, einem alten 2 CV, und tuckerte missmutig davon. Ich
     schaute mir den Schuh am Fuß der Leiche genauer an: Es war das Gegenstück zu dem Schuh, den der verbrannte Hund im Maul gehabt
     hatte.
    Ich ging zur Böschung und suchte den Plastiksack des Erkennungsdienstes. Miller und Straßer schauten mich groß an.
    »Wetten?«, sagte ich.
    |29| »Wetten was?«, fragte Straßer.
    »Dass das kein Selbstmord war.«
    »Wieso nicht?«
    »Der hat sich aufgehängt und anschließend den Wackesberg in Brand gesteckt?«
    »Und umgekehrt? Erst der Brand, dann der Selbstmord?«
    »So eine Ruine kann man nur mit Brandbeschleuniger zum Brennen bringen. Und der Tote hing genau über dem Brandherd. Das müssen
     Sie mir aber zeigen, Straßer, wie er das geschafft haben soll ...«
    »Und wenn jemand anderer, der mit dem Toten gar nichts zu tun hatte ...«, begann Miller vorsichtig.
    »Was?«
    ». .. den Brand gelegt hat?«
    »Das wäre aber ein sehr merkwürdiger Zufall! Ein Selbstmord und eine Brandstiftung am gleichen Abend. Beides am gleichen Ort.«
    Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir, dass etwas nicht stimmte.
    »Aber wer soll denn den Wackesberg anstecken?«, fragte Miller. »Die Ruine, da ist doch nichts.«
    »Wer schon? Derjenige, der den armen Kerl aufgeknüpft hat.«
    »Und warum? Der Typ war ja schon tot.«
    »Das liegt doch auf der Hand: Um seine Tat zu vertuschen.«
    »Gewagt«, sagte Straßer.
    »Sehr gewagt«, echote Miller.

|30| 4.
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