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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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etwas sagen konntest, Harry, dein Freund Benno ist tot. Dabei beobachtete ich dich, so, wie mich dieser Kommissar beobachtet hatte.
    »Benno?« – Dein Blick und deine Stimme kamen wieder mal von weit her: »Ben ist tot?«
    Ja, antwortete ich, die Polizei war heute da, in Sechsmützenstärke, der siebente trug Halbglatze. Ich drückte hinter mir die Tür zu, setzte mich an dein Bett, erzählte, was geschehen war, wenngleich nicht ganz so ausführlich, und die Sache mit dem Sparbuch unterschlug ich komplett.
    Aber warum das alles, fragte ich dich. Warum mußten die meine ganze Bude umgraben?
    »Ja, was werden die wohl gesucht haben?!« Du schautest mich an, als hätte ich zu wenig Schaum in der Waffel. »Deinen Bunker natürlich. Das waren die von der Drogenfahndung, du Eichhörnchen! Du standest mit Name, Adresse und Telefon in dem Merkheftchen von einem stadtbekannten Junkie der ersten Stunde, den sie tot aus irgendeinem Klo gezottelt haben, die Pumpe noch im Arm. Da kommen sie doch gucken, ob du Kundschaft warst oder ob er die Zutaten für seine Letzte Ölung von dir hatte.«
    Du glaubst also, sagte ich, daß Benno an einer Überdosis gestorben ist? Woher willst du das wissen? Vielleicht wurde er ja ermordet?
    »Quatsch«, sagtest du, »wer sollte Benno ermorden? Kein Mensch bringt Junkies um, das machen die schon selber. War einfach zu gierig, unser Ben, konnte sein Kronenchakra nie voll genug kriegen.«
    Du lächeltest undurchsichtig, und mir fiel ein, richtiger auf, daß von Benno, seit jenem Sonntag, an dem du bei mir geblieben warst, nur noch zweimal die Rede gewesen war, und beide Male hatte ich nach ihm gefragt. Und an dem Abend mit den Klingsbrüdern, die Benno ebenfalls gekannt haben mußten, waren die Namen vieler Knastkumpels gefallen, doch seiner nicht.
    Klar, sagte ich, du weißt Bescheid, dir sind sie ja nicht auf die Pelle gerückt. Aber warum eigentlich nicht? Stehst du etwa nicht in Bennos Notizheft?
    »Wozu denn, du Schaf?« sagtest du. »Als mein persönlicher Sekretär Ben deine Daten in sein Heft übertrug, weil du uns eingeladen hattest und ich auf jeden Fall kommen wollte und so eine Papierserviette schnell mal verlorengeht, war meine letzte Adresse noch identisch mit seiner, und die wußte er auswendig. Und in der Nacht, du erinnerst dich, verschwand er und war seitdem wie vom Erdboden verschluckt.«
    Harry, fragte ich, war Benno wirklich dein Freund?
    »Ach, Mausepuppe«, sagtest du, »ich habe doch gar keine Freunde, nur eine Freundin, und die legt sich jetzt zu mir ins Bettchen.«
    Auf dem Heimweg ging ich bei einem Rechtsanwalt vorbei, den ich, nachdem die Bullenmeute weg gewesen war, im Telefonbuch gefunden und angerufen hatte. Ich zeigte dem Anwalt die Kopie des von mir und – absolut unleserlich – auch von dem Kommissar unterzeichneten Durchsuchungsprotokolls. »Lassen Sie den Wisch hier. Ich kümmere mich darum. Die werden Sie nicht noch einmal belästigen«, sagte der Herr Raabe.
    So kam es; ich hörte nie mehr von diesem Kommissar des Drogendezernats oder der Mordkommission oder welcher Spezialeinheit auch immer; und dich, ob ich das nun verstehe oder nicht, hatten sie ja gar nicht erst im Visier gehabt.
    Am vierundzwanzigsten Februar, eine Woche vor meinem zweiundvierzigsten Geburtstag, wurdest du aus dem Klinikum am Urban entlassen, mit ziemlich klarer Prognose. Die Zahl deiner T-Helferzellen sei, sagte dein Arzt, wieder leicht gestiegen, die Krankheit aber »unverkennbar und irreversibel« ausgebrochen. Allerdings mache ihm deine »von jahrelanger chronischer Hepatitis massiv geschädigte Leber fast noch mehr Sorgen«. Erhabe dich in die Ambulanz überwiesen, auf die »Dringlichkeitsliste eines geplanten Substitutionsprogramms für Schwerstabhängige« setzen lassen und dir »in Erwägung« deiner »voraussichtlich eher geringen Lebenserwartung« empfohlen, Invalidenrente zu beantragen. Du warst, als ich den Arzt vor dem Schwesternzimmer abfing und ihn nötigte, mir Auskunft zu geben, gerade unterwegs in die Röntgenabteilung; aber ich bin sicher, er wird dir gegenüber ebenso deutlich gewesen sein. Trotzdem verriet ich dir nicht, daß ich ihn zur Rede gestellt und alles erfahren hatte. – In der U-Bahn fragte ich dich zaghaft, wie es nun weiterginge. Du knurrtest bloß »wie es kommt, kommt es«; du hättest »keine Lust, über den ganzen Mist zu palavern«, weder mit mir noch mit sonstwem.
    Durch die Emser Straße, die so verlassen aussah, als nage – seit selbst die

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