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Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)

Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)

Titel: Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
Autoren: CJ Lyons
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jene mit Geld in den Taschen und Verlangen in den Augen. Allein durch die Tatsache, dass New Hope überhaupt noch existierte, machte es seinem Namen alle Ehre, fand Adam. Aber immerhin gab es hier keine Perverslinge.
    Es war einer dieser Novembertage, an denen die Sonne nicht wirklich unterging, sondern vielmehr ohne den geringsten Widerstand sang- und klanglos erlosch. Auf dem Safeway-Parkplatz standen gerade einmal vier Autos, von denen Adam drei erkannte. Eines davon, der hellgelbe alte VW-Käfer, gehörte Mrs Chesshir.
    Adam schob sich durch das diesige graue Licht. Immer wenn er in einen Haufen aus Schneematsch und Eis trat und kaltes Wasser in seinen Schuh lief, zuckte er zusammen. Wegen der eisigen Nässe wirkte sein Gang auffallend, humpelnd. Vor dem hellen Licht im Eingangsbereich des Supermarktes zeichnete sich eine vertraute Silhouette ab, die schnell näher kam. Mrs Chesshir. Sie war die letzte Lehrerin, die Adam jemals unterrichtet hatte. Damals in der vierten Klasse. Jetzt balancierte sie zwei Stoffeinkaufstaschen und eine große Papiertüte.
    Adam zögerte. Nicht aus Angst, auf keinen Fall. Das flaue Gefühl in seinem Magen lag ausschließlich an seinem Hunger. Und selbst wenn er Angst gehabt hätte – aber das hatte er ja nicht, selbstverständlich nicht – würde er sie sich niemals anmerken lassen. Das hatte ihm sein Vater eingetrichtert: Gib niemals zu, dass du Angst hast. Leugne es. Lächle. Stelle Blickkontakt her. Biete Hilfe an, oder mache ein Kompliment. Bring die Leute dazu, Ja zu sagen – zu was auch immer. Lass deine Schultern fallen, damit du nicht so verdammt groß und einschüchternd aussiehst. Sei höflich. Sag niemals »ich«, immer nur »wir«.
    Das Einmaleins, um fast alles zu bekommen, was man wollte. Einfach nur Dads Regeln befolgen. Das sollte er auch bei Mrs Chesshir anwenden. Sie hielt an und machte eine Kopfbewegung in Richtung seines Hinkebeins. Eiswasser quoll aus dem Loch im Schuh hervor.
    »Alles in Ordnung?«
    Sie brachte Adam aus der Fassung. Er vergaß die Taktik, die er hatte anwenden wollen.
    »Mrs Chesshir. Erinnern Sie sich an mich?«
    »Natürlich erinnere ich mich, Adam. Schön, dich zu sehen.«
    Sie hatte ihn auf Anhieb erkannt, obwohl er vier Jahre lang verschwunden gewesen war. Diese Erkenntnis durchströmte ihn wie ein Fieber. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert – noch immer hatte sie das strahlende Lächeln, das ihre Augen leuchten ließ, ihr glänzendes, dunkles Haar, das leicht wippend über ihre Schultern fiel. Als kleiner Junge war er ein bisschen in sie verknallt gewesen und hatte sich ausgemalt, dass sie seine Retterin sein würde. Jetzt wusste er es besser. Er würde sich schon selbst retten müssen.
    »Lassen Sie mich die doch tragen.« Behandle sie wie einen Fisch, den du an die Angel bekommen möchtest. Befolge Dads Regeln. Ehe sie protestieren konnte, nahm er ihr die braune Papiertüte und eine der Stofftaschen ab.
    »Na, dank dir schön, Adam. Bist du zu Besuch hier?« Sie erkundigte sich nicht nach seinem Vater, und von sich aus sagte Adam nichts. Niemals freiwillig eine Information preisgeben, hatte Dad ihm eingebläut.
    »Jawohl, Ma’am. Ich habe einen Onkel und Cousins drüben in Huntingdon, aber als der Bus hier anhielt, na ja, da konnte ich einfach nicht widerstehen …«
    Er erkannte seinen Fehler zu spät. Huntingdon war viel zu nahe. Gut möglich, dass sie wusste, dass Adam dort gar keine Verwandten hatte. Dumm. Kaum raus aus dem Bus, und schon der erste Patzer. Nur gut, dass Dad das nicht sehen konnte. Adam schlurfte mit den Füßen über den Boden, während Mrs Chesshir den Kofferraum des VWs öffnete. In der Tüte, die er umklammert hielt, klimperte es unaufhörlich. Er senkte den Kopf und dachte angestrengt darüber nach, wie er diesen Fehler wieder ausbügeln konnte.
    »Das mit deiner Mutter ist wirklich zu bedauerlich. Sie war so eine tapfere Frau«, sagte Mrs Chesshir, um die entstandene Stille zu durchbrechen. »Bist du gekommen, um ihr Grab zu besuchen?«
    Adam schluckte hörbar und nickte. Sie tätschelte ihm eine Hand und sah dann zur Seite. Vermutlich dachte sie, dass er weinte. Was nicht der Fall war, aber nachdem er die Einkäufe in den Kofferraum gestellt hatte, rieb er sich mit den Fingerknöcheln, die vor lauter Kälte ganz weiß waren, über die Wangen. Dad konnte auf Kommando weinen. Morgan auch. Adam hatte diesen Trick nie beherrscht.
    »Soll ich dich mitnehmen?«, fragte sie. »Es macht mir nichts aus. Es
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