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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
Autoren: Patricia Cornwell
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Zugangsberechtigung hat, muss jetzt umkehren. Ich fahre an einem Schrottplatz vorbei, wo sich verbogene und zerbeulte Autos und Lastwagen türmen. Danach kommt eine Gärtnerei mit Gewächshäusern und riesigen Kübeln, in denen Ziergräser, Bambus und Palmen wachsen. Direkt vor mir erstreckt sich eine große Rasenfläche mit Blumenbeeten voller bunter Petunien und Ringelblumen. Ich fühle mich wie in einem Stadtpark oder auf einem Golfplatz. Das Verwaltungsgebäude mit seinen weißen Säulen und roten Backsteinmauern bildet einen starken Kontrast zu den blauen Betontrakten, die ein Metalldach haben und von einem hohen Zaun umgeben sind. Doppelte Rollen aus rasiermesserscharfem Natodraht schimmern und funkeln in der Sonne wie die Klingen von Skalpellen.
    Das Georgia Prison for Women ist eine Modelleinrichtung und gilt als herausragendes Beispiel für eine aufgeklärte und menschenwürdige Wiedereingliederung von Straftäterinnen. Viele durchlaufen während ihrer Haft eine Ausbildung als Klempnerin, Elektrikerin, Kosmetikerin, Schreinerin, Mechanikerin, Dachdeckerin, Landschaftsgärtnerin, Köchin oder Kellnerin. Gebäude und Gelände werden von den Insassinnen selbst instand gehalten. Sie kochen das Essen, arbeiten in der Bibliothek und im Schönheitssalon, leisten Hilfsdienste in der Krankenstation, geben ihre eigene Zeitschrift heraus und sind angehalten, hinter Gittern zumindest ihren High-School-Abschluss nachzuholen. Alle hier müssen etwas zur Gemeinschaft beitragen und bekommen dafür eine neue Chance, mit Ausnahme der Gefangenen im Hochsicherheitstrakt, auch Haus Bravo genannt, wo Kathleen Lawler vor zwei Wochen einquartiert wurde, also um die Zeit, als ihre E-Mails an mich so plötzlich abbrachen.
    Ich stelle meinen Wagen auf dem Besucherparkplatz ab und werfe einen Blick auf mein iPhone, in der Hoffnung, dass nichts Wichtiges geschehen ist, was meine Aufmerksamkeit erfordert, und dass Benton mir geschrieben hat. Und das hat er. »Wo du bist, soll es bald gewittern. Sei vorsichtig und gib mir Bescheid, wie es gelaufen ist. Ich liebe dich«, schreibt mein sachlicher, praktischer Ehemann, der mir stets den neuesten Wetterbericht oder andere nützliche Informationen zukommen lässt, wenn er an mich denkt. Ich liebe ihn auch, mir geht es gut, und ich werde ihn in ein paar Stunden anrufen, antworte ich, während ich beobachte, wie einige Männer in Anzug und Krawatte, begleitet von einem Aufseher, aus dem Verwaltungsgebäude kommen. Die Männer sehen aus wie Anwälte, vielleicht auch Vertreter der Strafvollzugsbehörde, denke ich und warte, bis sie in einem Zivilfahrzeug weggefahren sind. Dabei frage ich mich, wer sie sind und was sie hierhergeführt hat. Ich stecke das Telefon in meine Handtasche und schiebe sie unter den Sitz. Ich werde nichts mitnehmen als meinen Führerschein, einen unbeschrifteten Umschlag und den Autoschlüssel.
    Die Sommersonne senkt sich auf mich wie eine schwere heiße Hand. Im Südwesten haben sich Wolken gebildet und ballen sich dick zusammen, und die Luft duftet nach Lavendel und Scheineller. Ich folge einem Betonweg, der zwischen blühenden Büschen und gepflegten Blumenbeeten hindurchführt, und werde von unsichtbaren Augen aus den schmalen Fenstern rings um den Gefängnishof beobachtet. Häftlinge haben nichts Besseres zu tun, als in eine Welt hinauszustarren, an der sie nicht mehr teilhaben können, und dabei Informationen zu sammeln. Die CIA könnte sich an ihnen ein Beispiel nehmen. Ich spüre, wie ihr kollektives Bewusstsein meinen scheppernden weißen Transporter mit Nummernschildern aus South Carolina zur Kenntnis nimmt. Ebenso wie meine Kleidung, heute nicht das übliche Kostüm oder eine strapazierfähige Arbeitsuniform, sondern eine Khakihose, in der ein blauweiß gestreiftes Baumwollhemd steckt, dazu Slipper aus geflochtenem Leder und ein passender Gürtel. Ich trage keinen Schmuck, nur eine Titanuhr mit schwarzem Kunststoffarmband und meinen Ehering. Also ist es nicht leicht, aus meinem Äußeren auf meine Finanzen, meine Identität und meinen Beruf zu schließen. Nur der Transporter stört das Bild, das ich vermitteln wollte.
    Eigentlich wollte ich wie eine blonde Frau mittleren Alters und mit lässiger Frisur wirken, die keine dramatisch wichtigen oder auch nur interessanten Dinge im Leben tut. Und dann dieses zerschrammte, ruckelnde weiße Monstrum, dessen Heckscheiben so dunkel getönt sind, dass sie fast schwarz aussehen. All das fällt mir ein, während ich spüre,
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