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Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)

Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)

Titel: Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)
Autoren: Florian Sitzmann
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sonst wo gut sitzen kann. Der Sitzmann liegt flach und trinkt so viel wie reingeht!
    Mein Auto, die Fahrten durch die Nacht – diese Kombination hat mir einst das Leben gerettet. Ich brauchte schon immer das Gefühl, beweglich zu sein, und dazu benötige ich, da ich kein eigenes Geh-Gestell mehr habe, wenigstens ein anständiges Fahrgestell unterm Hintern. Doch bei einem erzwungenen Stillstand muss ich akzeptieren, dass sich die Welt auch ohne mich weiter dreht. Ich muss diese Momente nutzen, um zu durchleuchten, was gerade das Wesentliche in meinem Leben ist. Zum Beispiel gesund zu werden. Körperlich und seelisch stabil. Wenn diese Faktoren nicht für sich und miteinander harmonisch sind, dann ist eben Stillstand dran. So schwer es auch fällt.
    Bewegung ist dann nur virtuell möglich – mit der Konsole und dem Joystick in den Händen ein Paar Rennrunden fahren  –, aber das ist nichts gegen das Gefühl im Bauch, das sich bei mir einstellt, wenn ich real hinter einem schönen Lenkrad sitze. Dennoch: Alles Jammern hilft nichts! Ich brauche meinen Körper und meine Seele in gesundem Zustand, damit ich das machen kann, was mir ein Urtrieb und ein Urvergnügen ist: Auto fahren. Das wiederum hilft mir nach der Ruhephase, wieder mit der Welt in Einklang zu kommen.
    Auto fahren ist für mich viel mehr, als nur bequem den Weg von A nach B hinter mich zu bringen. Im Auto zu sitzen und es zu lenken, bedeutet für mich Freiheit, Flexibilität, Bewegung in einem Ausmaß, wie es mir mein Rollstuhl sonst nicht erlaubt. Wenn ich gesund bin, benutze ich den Wagen fast jeden Tag. Egal welches Wetter draußen ist. Selbst der Regen macht mir nichts, denn ich mag es, wenn die Tropfen gegen die Scheibe prasseln. Draußen schüttet es und drinnen ist alles warm und trocken. Zusammen mit meiner Lieblingsmusik ist das ein echtes Vergnügen. Mein ausgelagertes Wohnzimmer auf vier Rädern.
    Ich könnte mir im Leben nicht vorstellen, nur mit dem Bus oder der Bahn oder irgendwelchen Fahrdiensten zu fahren, das würde mich wahnsinnig machen. Da ist man immer abhängig von jemand anderem. Entweder kommt der Bus nicht pünktlich oder der Fahrer fährt wie ein Henker oder man kriecht im Schneckentempo durch die Straßen. Ich bin sowieso ein sehr schlechter Beifahrer. Nein, ohne Auto halte ich es nicht aus. Ich will das Gefühl haben, dass ich mich und meine Familie selbst versorgen kann. Und dazu ist ein Auto notwendig.
    Das ideale Auto für mich hat im Innenraum viel Platz – für breite Schultern, meinen Rollstuhl und natürlich meine Lieben. Autos sind meine Leidenschaft – und ein schönes Auto, in dem ich mich wohl fühle, ist ein Luxus, den ich mir gönne. Das bin ich mir wert.
    Ich habe mir meine Autos immer ausgesucht. Da gab es keine Zufallstreffer. Und die beiden Male, als ich mir Neuwagen geleistet habe, habe ich sie mir nach meinem Geschmack und meinen Bedürfnissen zusammengestellt. Das lohnt sich bei meinen besonderen Anforderungen und Ansprüchen. Autofahren ist für mich ein Genuss für die Sinne – nicht nur das Fahren, sondern auch die Optik, der Klang der Motoren und der Geruch des Leders. Ledersitze liebe ich sogar mehrfach: weil sie sich großartig anfühlen und man auch mal den Rolli drüberziehen kann, ohne dass sie gleich aussehen, als hätten sie schon zwanzig Jahre auf dem Buckel. Einmal drüber gewischt und alles ist wieder in Ordnung.
    Meine Autos müssen gepflegt sein. Ich kann es nicht leiden, wenn die Sitze und der Boden vollgebröselt sind. In meinem Wohnzimmer sieht es ja schließlich auch nicht aus wie bei Hempels unterm Sofa. Ich mag es, wenn alles aufgeräumt und sauber ist. Dann bleibt es auch lange schön.
    Natürlich muss das Auto auch super fahren. Das Problem ist: Wenn man eine Behinderung hat wie ich, kann man in den seltensten Fällen alle Autos, die einem gefallen, Probe fahren. Als Nichtbehinderter gehst du ins Autohaus und kannst jedes Modell kurz mal auf der Straße ausprobieren. Das funktioniert für Rollstuhlfahrer nicht. Ohne behindertengerechten Umbau geht da gar nichts. Man kann also nur darauf vertrauen, dass man den richtigen Riecher hat und das Auto erwischt, das den eigenen technischen Anforderungen an Motorleistung und Fahreigenschaften entspricht. Das sind für mich wichtige Dinge. Eben weil ich so viel Zeit in den Autos verbringe und weil ich es liebe, die Kraft des Motors zu spüren. Egal ob ich mal Gas gebe oder durch die Nacht cruise.

    Mein Auto ist weit mehr als ein
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