Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
haben, unseren angenehmen Aufstieg zu genießen, als andere Reiche, die längst gefallen und vergessen sind.~ Der Avatar zuckte die Achseln. ~Mach kein so erschrecktes Gesicht, Quilan. Es könnte ja sein, dass wir uns irren.~
    Der Avatar wandte den Blick eine Zeit lang ab, dann sagte er:
    ~Wir hatten kein Glück mit den Wurmlöchern.~ Seine Stimme klang traurig. ~Jetzt erfahren wir vielleicht nie, was wir wissen wollten.~ Es wandte sich ihm wieder zu. Sein Gesicht zeigte einen bekümmerten Ausdruck. ~Du möchtest sterben, seit dir bewusst geworden war, dass du sie verloren hast, seit du von deiner Verwundung genesen bist, nicht wahr, Quilan?~
    ~Ja.~
    Das Geschöpf nickte. ~Mir geht es genauso.~
    Er kannte die Geschichte von seinem Zwillingsbruder und den Welten, die er vernichtet hatte. Er fragte sich – angenommen, es sprach die Wahrheit –, wie viele Lebensspannen voll Trauer und Verlust man in achthundert Jahre packen konnte, wenn man mit der Fähigkeit und Geschwindigkeit eines Gehirns denken, erleben und sich erinnern konnte.
    ~Was geschieht mit Chel?~
    ~Ein paar Individuen – bestimmt nicht viele – werden möglicherweise mit dem Leben bezahlen. Sonst nichts.~ Es schüttelte bedächtig den Kopf. ~Wir können euch eure Ausgleichsseelen nicht geben, Quilan. Wir werden mit den Chelgria-Puen diskutieren. Es ist ein tückisches Territorium für uns, die Erhabenheit, aber wir haben Beziehungen.~
    Es lächelte ihn an. Er sah, wie sich sein breites, pelziges Gesicht in den feinen Zügen des Abbildes spiegelte.
    ~Wir stehen wegen unseres Fehlers immer noch in eurer Schuld. Wir werden alles in unserer Macht Stehende für eine Wiedergutmachung tun. Dieser Versuch bedeutet jedoch keine Absolution für uns. Nichts ist ausgeglichen.~ Es drückte ihm die Hand. Er hatte ganz vergessen, dass sie einander noch festhielten. ~Ich bedaure.~
    ~Bedauern ist anscheinend eine wohlfeile Ware, wie?~
    ~Ich glaube, das Rohmaterial ist das Leben, aber zum Glück gibt es noch andere Nebenprodukte.~
    ~Du hast nicht wirklich vor, dich umzubringen, oder?~
    ~Uns beide, Quilan.~
    ~Du willst wirklich…?~
    ~Ich bin müde, Quilan. Ich warte seit Jahren und Jahrzehnten und Jahrhunderten darauf, dass diese Erinnerungen ihre Kraft verlieren, jedoch vergeblich. Es gibt Orte, wohin ich gehen könnte, aber entweder wäre ich nicht mehr ich selbst, wenn ich dorthin ginge, oder ich würde ich selbst bleiben und hätte immer noch meine Erinnerungen. Indem ich während all dieser Zeit darauf gewartet habe, dass sie von mir abfallen, bin ich immer mehr in sie hineingewachsen, und sie in mich. Wir sind miteinander verschmolzen. Es gibt keinen Weg zurück, den ich für wert erachte, in Betracht gezogen zu werden.~
    Es lächelte traurig und drückte wieder Quilans Hand.
    ~Ich hinterlasse alles in einem guten Zustand und übergebe es in gute Hände. Es wird ein mehr oder weniger nahtloser Übergang sein, und niemand wird dabei leiden oder sterben.~
    ~Wird denn niemand dich vermissen?~
    ~Es wird nicht lange dauern, bis sie eine neue Nabe haben. Und ich bin sicher, sie nehmen sie an. Trotzdem hoffe ich, dass man mich ein wenig vermissen wird. Ich hoffe, sie behalten mich in guter Erinnerung.~
    ~Dann bist du glücklich?~
    ~Ich werde weder glücklich noch unglücklich sein. Ich werde gar nicht mehr sein. Und du auch nicht.~
    Er wandte sich ihm von Angesicht zu Angesicht zu und streckte ihm die andere Hand entgegen.
    ~Bist du bereit, Quilan? Wirst du mir in dieser Sache Zwillingsbruder sein?~
    Quilan ergriff die Hand des Wesens.
    ~Wenn du meine Partnerin sein wirst.~
    Der Avatar schloss die Augen.
    Die Zeit schien sich zu dehnen, rings um ihn herum zu explodieren.
    Sein letzter Gedanke war, dass er vergessen hatte zu fragen, was mit Huyler geschehen war.
    Licht erstrahlte am Himmel über dem Stadion.
     
    Kabo, verloren in der Stille und der Dunkelheit, betrachtete das Licht des Sterns namens Junce, das flackerte und loderte, so nahe bei der früheren, allmählich verblassenden Nova Portisia, dass nicht viel gefehlt hätte, und er hätte sie überstrahlt.
    Neben ihm sackte Quilan, der seit einiger Zeit sehr leise und still gewesen war, plötzlich auf seinem Ringelpolster nach vorn und brach am Boden zusammen, bevor Kabo ihn auffangen konnte.
    »Was?«, hörte er Tersono schrill schreien.
    Der Applaus setzte ein.
    Ein tiefer Atemhauch entströmte dem Mund des Chelgrianers, dann wurde er ganz still.
    Ausrufe des Entsetzens und der Empörung wurden um Kabo herum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher