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Blackout - Kein Entrinnen

Blackout - Kein Entrinnen

Titel: Blackout - Kein Entrinnen
Autoren: Mira Grant
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meinem Anblick ab, um meine derzeitige Hauptbeschäftigung wieder aufzunehmen, nämlich in meiner Zelle auf und ab zu tigern und nachzudenken. Solange ich nicht wusste, ob ich beobachtet wurde oder nicht, durfte ich das nicht laut tun, und das machte es um einiges schwieriger. Ich konnte schon immer besser denken, wenn ich es laut tat, und zum ersten Mal in meinem erwachsenen Leben befand ich mich an einem Ort, wo dabei nicht mindestens ein Diktiergerät lief. Ich bin zertifizierte Journalistin. Wenn ich mit mir selbst rede, ist das kein Zeichen von Geisteskrankheit; so sorge ich lediglich dafür, dass keine wichtigen Informationen verloren gehen, bevor ich sie aufschreiben kann.
    Die ganze Sache war faul. Selbst wenn es sich um einen Versuch gehandelt hätte, um die Virenvermehrung rückgängig zu machen, wäre jemand da gewesen, um es mir zu erklären. Shaun wäre da gewesen. Und dann war da noch der eigentliche Grund, weshalb ich nicht glauben konnte, dass es hier mit rechten Dingen zuging: Ich erinnerte mich daran, wie er abgedrückt hatte. Selbst wenn ich annahm, dass die Erinnerung mich trog, selbst wenn ich annahm, dass es nie geschehen war – warum war er nicht hier ? Shaun würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um zu mir zu gelangen.
    Kurz kam mir der Gedanke, dass er ebenfalls in diesem Gebäude war und dass ich die Stimme aus der Sprechanlage zwingen könnte, mir zu verraten, wo er war. Doch mit Bedauern verwarf ich ihn wieder. Wenn dies der Fall war, wäre schon längst etwas in die Luft geflogen.
    »Verdammt!« Finster starrte ich die Wand an, drehte mich um und ging in die andere Richtung. Der Hunger wurde schlimmer und bekam Gesellschaft von einem anderen, noch lästigeren Bedürfnis: Ich musste pinkeln. Wenn mich nicht schnell jemand hier rausließ, würde ich mich bald mit einer ganzen Reihe anderer Probleme befassen müssen.
    »Geh alles noch einmal durch, George«, sagte ich mir, und der Klang meiner Stimme verschaffte mir etwas Trost. Alles andere mochte sich verändert haben, aber nicht meine Stimme. »Du warst mit Rick und Shaun in Sacramento und bist auf den Sendewagen zugerannt. Da hat dich etwas am Arm getroffen. Eine der Spritzen, die sie auf Rymans Farm benutzt haben. Das Testergebnis war positiv. Rick ging. Und dann … dann …« Ich geriet ins Stocken, weil ich Mühe hatte, die rechten Worte zu finden, obwohl niemand da war, der mir zugehört hätte.
    Jeder, der nach dem Erwachen aufgewachsen ist, weiß, was passiert, wenn du mit der Lebensform des Kellis-Amberlee in Berührung kommst. Du verwandelst dich in einen Zombie, in einen der Infizierten, und dann machst du, was Zombies immer tun. Du beißt, du infizierst und du tötest. Du frisst. Du wachst nicht in einem weißen Zimmer auf, trägst einen weißen Schlafanzug und fragst dich, wie dein Bruder dich erschießen konnte, ohne auch nur eine Narbe in deinem Nacken zu hinterlassen.
    Narben. Ich wirbelte herum, ging zum Spiegel zurück und zog mein rechtes Augenlid weit nach oben. Mit elf Jahren hatte ich gelernt, meine Augen zu untersuchen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein erstes Paar Schutzlinsen bekommen. Und damals kam ich auch zu meiner ersten sichtbaren Narbe auf der Netzhaut, als die Sonne winzige Gewebeflecken irreparabel aus ihr herausgebrannt hatte. Wir haben es rechtzeitig bemerkt und konnten schwerwiegende Sehschäden verhindern, und ich wurde um einiges vorsichtiger. Die Narben verursachten winzige blinde Flecken im Zentrum meines Gesichtsfelds. Nichts Gravierendes. Nichts, was mich bei Außeneinsätzen behinderte. Nur ein paar kleine Flecken.
    Meine Pupille zog sich fast völlig zusammen, als das Licht einfiel. Die Flecken waren verschwunden. Ich konnte alles klar erkennen ohne irgendwelche Lücken.
    »Oh.« Ich ließ meine Hände sinken. »Das ist wohl nur logisch.«
    Ich zögerte, weil ich mir plötzlich dumm vorkam, denn diese Erkenntnis führte zu einer anderen. Beim Aufwachen hatte mir die Stimme über die Anlage mitgeteilt, dass ich nur sprechen müsse und man mich dann schon hören würde. Jetzt sah ich zu den Lautsprechern hoch. »Kann mir mal jemand helfen?«, fragte ich. »Ich muss wirklich dringend pinkeln.«
    Keine Antwort.
    »Hallo?«
    Noch immer keine Antwort. Bevor ich mich umwandte und zurück zum Bett ging, zeigte ich dem Spiegel meinen Mittelfinger. Auf dem Bett setzte ich mich im Schneidersitz hin und schloss die Augen. Dann wartete ich. Wenn mich jemand beobachtete – und jemand musste mich
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