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Blackmail: Thriller (German Edition)

Blackmail: Thriller (German Edition)

Titel: Blackmail: Thriller (German Edition)
Autoren: Greg Iles
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Wangen. Ich zögere, lasse ihm Zeit, sich zu sammeln. Was braucht es, damit ein Arzt weint? Mein eigener Vater hat seine Patienten vierzig Jahre lang sterben sehen, und heute fallen sie wie Getreideähren vor einer Sense. Ich weiß, dass er trauert, doch ich kann mich nicht erinnern, ihn schonmal weinen gesehen zu haben. Die einzige Ausnahme war meine Frau, doch das ist eine andere Geschichte. Vielleicht denkt Drew, dass er allein im Zimmer ist, dass ich zusammen mit allen anderen nach draußen geschlüpft bin. Da die Tränen immer weiter strömen, gehe ich nach draußen in den Konferenzraum und lege ihm die Hand auf seine muskelbepackte Schulter.
    »Alles klar, Mann?«
    Er antwortet nicht, doch ich spüre, wie er erschauert.
    »Drew? Hey!«
    Er wischt sich mit dem Hemdsärmel die Tränen weg und erhebt sich. »Ich glaube, wir lassen Theresa besser abschließen.«
    »Ja. Ich komme mit dir nach draußen.«
    Seite an Seite durchqueren wir das vordere Atrium der St. Stephen’s, wie wir es Tausende Male getan haben, als wir selbst diese Schule in den Sechzigern und Siebzigern besucht haben. Ein großer Trophäenschrank steht an der Wand zu meiner Linken. Darin, hinter einem Baseballschläger – Louisville Slugger mit dreizehn Autogrammen in buntem Filzstift –, hängt ein großes Foto von Drew Elliott während des einen entscheidenden Moments dieser Institution. Gerade vierzehn Jahre alt steht Drew unter den Flutlichtern des Smith-Wills-Stadions in Jackson am Schlagmal und schlägt, was sich als der siegreiche Home-Run der Baseballmeisterschaft des Jahres 1977 herausstellen sollte. Ganz gleich, wie bemerkenswert unsere akademischen Errungenschaften sind – und davon gibt es viele –, es ist diese Meisterschaft, die unsere winzige Schule auf die Landkarte gebracht hat. In Mississippi steht der Sport über allem anderen, genau wie im restlichen Süden.
    »Lange her«, sagt er. »Eine Ewigkeit.«
    Wir gehen durch den Eingang und bleiben unter dem Vordach stehen, während wir uns auf einen Sprint zu unseren Wagen vorbereiten.
    »Kate war Babysitterin für deine Jungs, nicht wahr?«
    »Ja«, sagt er. »Die letzten beiden Sommer. Allerdings jetztnicht mehr. Sie macht in sechs Wochen … sie hätte in sechs Wochen ihren Abschluss gemacht. Sie hatte zu viel zu tun, um nebenbei als Babysitter zu jobben.«
    »Sie schien ein großartiges Mädchen zu sein.«
    Drew nickt. »War sie. Selbst heutzutage, wo viele Schüler Überflieger sind, war sie etwas Besonderes.«
    Ich könnte jetzt sagen, dass es häufig die Besten und Hellsten sind, die zu früh gehen, während wir anderen weitermachen, doch das weiß Drew selbst. Er hat mehr Menschen sterben sehen, als mir je über den Weg laufen werden.
    Sein Volvo parkt vielleicht dreißig Meter entfernt, hinter meinem Saab. Ich klopfe ihm auf den Rücken wie in Highschool-Tagen, dann nehme ich eine Sprinterhaltung ein. »Willst du es wagen?«
    Statt mitzuspielen, sieht er mir voll ins Gesicht und sagt mit einer Stimme, die ich seit vielen Jahren nicht mehr bei ihm gehört habe. »Kann ich einen Augenblick mit dir reden?«
    »Selbstverständlich.«
    »Steigen wir ein.«
    »Sicher.«
    Er drückt auf einen Knopf an seiner Schlüsselkette, und die Blinker seines Volvos leuchten auf. Wie vom Knall einer Startpistole hochgejagt sprinten wir durch den kalten Regen und klettern in die Ledersitze des S80. Drew wirft die Tür zu und lässt den Motor an; dann schüttelt er heftig den Kopf.
    »Ich kann es einfach nicht glauben! Es ist wirklich unfassbar! Hast du sie gekannt, Penn? Hast du Kate überhaupt gekannt?«
    »Wir haben uns ein paarmal unterhalten. Sie hat mich nach meinen Büchern gefragt. Aber es ging nie tiefer unter die Oberfläche. Mia hat viel über sie geredet.«
    Seine Augen suchen in den Schatten nach meinen. »Du und ich, wir sind in den vergangenen fünf Jahren auch nicht unter die Oberfläche gekommen. Es ist mehr mein Fehler als deiner, ich weiß. Ich behalte viel für mich.«
    »Das tun wir alle«, sage ich verlegen, während ich mich frage, wohin das führen soll.
    »Wer kennt den anderen schon genau. Zwölf Jahre gemeinsam auf der Schule, als Jungs die besten Freunde … Du weißt eine Menge über mich, und auch wieder gar nichts. Du kennst nur die Oberfläche, wie alle anderen.«
    »Ich hoffe, dass ich daruntersehe, Drew.«
    »Wenn jemand unter die Oberfläche sieht, dann du. Das ist auch der Grund, weshalb ich jetzt mit dir rede.«
    »Okay, hier bin ich. Reden wir.«
    Er
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