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Black Box: Thriller (German Edition)

Black Box: Thriller (German Edition)

Titel: Black Box: Thriller (German Edition)
Autoren: Michael Connelly
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Verurteilung führten. Auf diesen Plakaten waren Fotos von Verdächtigen, Tatorten oder Opfern. Auf dreien davon war ein Foto von Anneke Jespersen gewesen, zusammen mit der Bitte um Hinweise auf die Gründe ihres Aufenthalts in L.A. und auf die Umstände ihrer Ermordung.
    Die Einheit stützte sich bei ihrer Arbeit hauptsächlich auf Informationen, die infolge der Plakataktion und sonstiger Aufrufe an die Öffentlichkeit eingingen, und ermittelte nur in Fällen, für die ihnen konkrete Hinweise vorlagen. Da über Anneke Jespersen nie etwas Brauchbares hereinkam, ging bei den Ermittlungen nichts voran. Der Fall erwies sich als Sackgasse. Selbst das einzige vom Tatort stammende Beweismittel – die Patronenhülse – war ohne eine dazu passende Schusswaffe von keinerlei Wert.
    Bei der Durchsicht der archivierten Unterlagen und Beweisstücke stellte Bosch fest, dass sich die relevantesten Informationen, die im Zuge des ersten Ermittlungsverfahrens gesammelt worden waren, auf die Person des Opfers bezogen. Jespersen war eine zweiunddreißig Jahre alte Dänin gewesen, keine Deutsche, wie Bosch zwanzig Jahre lang angenommen hatte. Sie war im wahrsten Sinn des Wortes Fotojournalistin gewesen, denn sie hatte nicht nur Fotos gemacht, sondern auch Reportagen geschrieben. Sie hatte für die Kopenhagener Zeitung
Berlingske Tidende
als Kriegsberichterstatterin in Wort und Bild über gewaltsame Auseinandersetzungen in aller Welt berichtet.
    Sie war am Morgen nach dem Ausbruch der Unruhen in Los Angeles eingetroffen. Und am nächsten Morgen war sie tot. In den folgenden Wochen erschienen in der
Los Angeles Times
Kurzbiographien all derer, die bei den Unruhen ums Leben gekommen waren. Im Beitrag über Jespersen, in dem auch ihr Redakteur und ihr Bruder aus Kopenhagen zu Wort kamen, wurde die Journalistin als eine Frau dargestellt, die keine Risiken gescheut und sich immer freiwillig und ohne Zögern für Einsätze in den Krisengebieten der Welt gemeldet hatte. In den vier Jahren vor ihrem Tod hatte sie über gewaltsame Konflikte im Irak, in Kuwait, Libanon, Senegal und El Salvador berichtet.
    Die Unruhen in Los Angeles waren zwar kaum auf der gleichen Stufe anzusiedeln wie die Kriege und sonstigen bewaffneten Konflikte, über die Jespersen in ihren Reportagen geschrieben hatte, aber da sie der
Times
zufolge gerade auf einer Urlaubsreise durch die Vereinigten Staaten war, als die Unruhen in der Stadt der Engel eskalierten, rief sie prompt in der Bildredaktion der
Berlingske Tidende
an und hinterließ ihrem Redakteur eine Nachricht, dass sie von San Francisco nach L.A. unterwegs sei. Bevor sie jedoch irgendwelche Fotos oder Berichte an die Zeitung schicken konnte, war sie tot. Ihr Redakteur hatte nach Erhalt ihrer Nachricht nicht mehr mit ihr gesprochen.
    Nach Auflösung der RCTF wurde der ungelöste Jespersen-Fall der Mordkommission der 77 th Street Division zugeteilt, in deren Zuständigkeitsbereich sich der Mord ereignet hatte. Dort wurde er neuen Ermittler übergeben, die mehr als genug eigene offene Fälle aufzuarbeiten hatten; in der Folge war er einfach auf Eis gelegt worden. Die Einträge in der Ermittlungschronologie waren spärlich und sehr sporadisch und dokumentierten im Wesentlichen lediglich das Interesse, das dem Fall seitens der Öffentlichkeit entgegengebracht wurde. Das LAPD betrieb die Ermittlungen nicht gerade mit großem Nachdruck, aber Jespersens Angehörige und alle, die sie aus der internationalen Journalistenszene persönlich kannten, gaben die Hoffnung nicht auf. Die Chronologie enthielt zahlreiche Vermerke von ihren Anfragen zum Stand der Ermittlungen. Sie waren bis zu dem Zeitpunkt, als die Fallakten und Beweismittel ins Archiv kamen, mehr oder weniger die einzigen Einträge. Danach wurden alle, die sich nach Anneke Jespersen erkundigten, höchstwahrscheinlich genauso ignoriert wie der Fall, dessentwegen sie anriefen. Seltsamerweise waren die Habseligkeiten des Opfers nie an ihre Angehörigen geschickt worden. Die Archivboxen enthielten Jespersens Rucksack und die persönlichen Dinge, die der Polizei mehrere Tage nach dem Mord überstellt worden waren, als der Geschäftsführer des Travelodge am Santa Monica Boulevard den ungewöhnlichen Namen in seinem Gästeregister auf einer in der
Times
veröffentlichten Liste von Opfern der Unruhen entdeckt hatte. Bis dahin hatte man angenommen, Anneke Jespersen hätte das Motel verlassen, ohne die Rechnung zu bezahlen. Die Habseligkeiten, die sie zurückgelassen
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