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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln
Autoren: Sujata
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Leben, aber ziemlich schwach.«
    Meine Tante lag also im Sterben. Etwas in mir brach.
    »Vorwärts«, wies Eriko mich an und fuchtelte dabei mit der Schwertspitze vor meinem Gesicht herum.
    Ich kroch aus dem Regal heraus, und Eriko trat, den Strahl der Taschenlampe und das Schwert noch immer auf mich gerichtet, ein wenig zurück. Ich rappelte mich auf. Dabei mußte ich mich mit der Hand abstützen, weil mir ein Fuß eingeschlafen war. Schon ein paar Sekunden später würde er, wenn das Blut wieder hineinschoß, zu prickeln anfangen.
    »Geh!« befahl Eriko und hielt mir das Schwert vor die Nase.
    »Mir ist der Fuß eingeschlafen, ich werde ein paar Sekunden brauchen …«
    »Glauben Sie ihr«, rief Takeo von oben herunter. »Als ich sie das erste Mal ausgeführt habe, ist ihr auch der Fuß eingeschlafen. Das ist ein Problem, das alle in den Staaten aufgewachsenen Japaner haben. Sie müssen ihr ein paar Minuten Zeit geben.«
    Ich rief auf englisch zurück: »Wie hat sie dich erwischt?«
    »Ich bin hierher gekommen, weil ich das Licht von meinem Zimmer aus gesehen habe. Ich dachte, wenn deine Vermutung mit der Stop-Killing-Flowers-Gruppe stimmt, könnte ich sie vielleicht ein bißchen besänftigen. Als ich die kura betreten habe, hat Eriko mir von oben zugerufen, daß Norie verletzt ist. Sobald ich hinaufgeklettert war, hat Eriko mir ein Fischnetz über den Kopf geworfen und gesagt, sie würde deine Tante hinunterstoßen, wenn ich ihr nicht verrate, wo die Schwerter aufbewahrt werden. Dann hat sie uns beide an einen Balken gefesselt. Sie hat die ganzen Leute zu uns eingeladen, um meine Familie in Verlegenheit zu bringen und alle abzulenken, während sie deine Tante und dich fertigmacht.«
    »Ich verstehe Englisch«, zischte Eriko. »Redet nicht über meinen Kopf hinweg!«
    »Gut, dann sprechen wir also direkt mit Ihnen.« Takeos Stimme hatte jenen eisigen Ton, den er seinen Untergebenen gegenüber anschlug, und das beunruhigte mich. Eine zornige Eriko wäre sicher in der Lage, mich mit dem Schwert zu töten.
    »Bitte geh in die Richtung, die ich dir zeige.« Eriko sprach weiter in höflichem Japanisch zu mir, doch das Schwert, das gerade meinen Kimono und das seidene Untergewand aufschlitzte, stand in krassem Widerspruch zu ihrer Höflichkeit.
    »Das Schwert wird zusammen mit allen anderen Sachen der Kayamas verkauft«, sagte Eriko. »Wahrscheinlich überrascht es dich zu hören, daß deine Versuche, Antiquitäten aufzuspüren und sie dann zu einem hohen Preis wieder zu verkaufen, mich inspiriert haben.«
    »Ach, tatsächlich?« sagte ich. »Glaubst du denn nicht, daß man dich faßt?«
    »Aber nein«, sagte Eriko. »Du wirst in dem Feuer sterben, das gerade erst zu schwelen beginnt. Eine Laterne aus den Bäumen wurde von Takeo und Rei umgestoßen, als sie zu einem heimlichen Rendezvous hier hereinkamen und von Norie überrascht wurden.«
    »Ich wollte Ihnen noch sagen«, stieß Takeo hustend hervor, »daß sich unter dem Reisig, das Sie zum Schüren des Feuers verwendet haben, auch Giftsumach befand. Den haben Sie von der hinteren Wand der kura gerissen, stimmt’s? Ihre Hände werden anschwellen. Natürlich können Sie zu der Party zurückkehren, als sei nichts gewesen, aber in ein paar Stunden wird der Ausschlag deutlich zu sehen sein.«
    »Eriko, lösch wenigstens das Feuer«, flehte ich sie an. »Beim Verbrennen des Sumachs werden giftige Dämpfe frei. Die bringen dich auch um.«
    »Tja, dann sollten wir uns wohl lieber beeilen«, sagte Eriko. »Rei-san. Du mußt jetzt auf die tansu hinaufsteigen, damit ich alles vorbereiten kann.«
    »So hast du das auch bei Sakura gemacht, stimmt’s?« fragte ich, während ich in der Dunkelheit weiterstolperte und das Schwert einen neuen Riß in meinen Kimono schnitt. »Du hast Sakura zuerst vergiftet. Als sie dann schon im Sterben lag, hast du ihr noch die Schere in den Hals gerammt. Das war ein ziemlich …« ich suchte nach dem passenden Wort, »… dramatisches Arrangement.«
    »Damit habe ich die Leute daran erinnert, daß Norie an Reiko Kayamas Tod schuld war. Sie hat sie umgebracht, aber niemand hat sie bestraft!« rief Eriko.
    »Es war ein Unfall«, sagte ich, als mein Fuß gegen die erste Stufe der tansu- Treppe stieß. »Norie hat Schuldgefühle, weil Reiko gestürzt ist, als sie ihr die Schere bringen wollte, aber es war nicht ihre Schuld.«
    »Deine Tante hat mir das genauso erzählt, bevor sie das Bewußtsein verloren hat«, sagte Takeo. »Ich habe jahrelang nicht
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