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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman
Autoren: Heinrich Böll
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ein Kommunist?‹ Mehr fällt ihnen dann nicht ein; die Anzahl der Schablonen hat sich verringert, Schrella; niemand wäre auf die Idee gekommen, deinen Vater für einen Kommunisten zu halten, nicht einmal Nettlinger war so dumm - heute würden sie deinen Vater nicht anders einordnen können. Enders würde die Lämmer weiden, aber man gibt ihm nur Böcke; er ist verdächtig, weil er die Bergpredigt so oft zum Gegenstand seiner Predigten macht; vielleicht wird man eines Tages entdecken, daß sie ein Einschiebsel ist, und wird sie streichen - wir wollen Enders besuchen, Schrella, und wenn wir mit dem Abendbus zur Bahnstation zurückfahren, werden wir
    mehr Verzweiflung als Trost mit zurücknehmen; der Mond ist mir vertrauter als dieses Dorf - wir werden ihn besuchen, Barmherzigkeit üben; man soll die Gefangenen besuchen - wie kamst du gerade auf Enders?«
    »Ich dachte darüber nach, wen ich wohl wiedersehen möchte, du vergißt, daß ich von der Schule weg verschwinden mußte, aber ich habe Angst vor Begegnungen, seitdem ich Ferdis Schwester gesehen habe.«
    »Du hast Ferdis Schwester gesehen?«
    »Ja, sie hat die Limonadebude an der Endstation der Elf. Bist du nie dort gewesen?«
    »Nein, ich habe Angst, die Gruffelstraße könnte mir fremd sein.«
    »Sie war für mich fremder als alle Straßen in der Welt - geh nicht hin, Robert. Sind Trischlers wirklich tot?«
    »Ja«, sagte Robert, »auch Alois; sie sind mit der ›Anna Katharina‹ gesunken, Trischlers wohnten schon lange nicht mehr am Hafen; als die Brücke gebaut wurde, mußten sie dort weg, und die Mietwohnung in der Stadt war nichts für die beiden, sie brauchten Wasser und Schiffe; Alois wollte sie auf der ›Anna Katharina‹ zu Freunden nach Holland bringen - der Kahn wurde bombardiert, Alois wollte seine Eltern aus den Kojen holen, aber es war zu spät - das Wasser schlug schon von oben rein, und sie kamen nicht mehr raus; es hat lange gedauert, bis ich ihre Spur gefunden habe.«
    »Wo hast du's erfahren?«
    »Im Anker, ich bin jeden Tag dorthin gegangen und habe alle Schiffer gefragt - bis ich einen fand, der wußte, was mit der
    ›Anna Katharina‹ passiert ist.«
    Schrella zog den Vorhang zu, ging zum Tisch und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. Robert folgte ihm.
    »Ich glaube«, sagte er, »wir müssen jetzt zu meinen Eltern rauf - oder möchtest du lieber nicht zur Feier?«
    »Nein«, sagte Schrella, »ich geh mit, aber wollen wir nicht auf den Jungen warten? Was macht eigentlich so einer wie Schweugel?«
    »Interessie rt es dich wirklich?«
    »Ja, warum fragst du, ob es mich wirklich interessiert?«
    »Hast du in deinen Hotelzimmern und Pensionen an Enders und Schweugel gedacht?«
    »Ja, und an Grewe und Holten - sie waren die einzigen, die nicht mitmachten, wenn sie mich auf dem Heimweg überfielen - auch Drischka machte nicht mit... was machen sie, leben sie noch?«
    »Holten ist tot, gefallen«, sagte Robert, »aber Schweugel lebt noch; er ist Schriftsteller, und ich lasse mich von Ruth verleugnen, wenn er mal abends anruft oder an der Haustür klingelt; ich finde ihn so unerträglich wie unergiebig; ich langweile mich einfach mit ihm; er redet immer von bürgerlich und nichtbürgerlich, und wahrscheinlich hält er sich für das letztere - was soll's? Es interessiert mich einfach nicht; er hat mich auch schon mal nach dir gefragt.«
    »Ach, und was ist aus Grewe geworden?«
    »Er ist Parteimensch, aber frag mich nicht in welcher Partei; es ist auch unwichtig, das zu wissen. Und Drischka fabriziert
    ›Drischkas Autolöwen‹, einen Markenartikel, der ihm sehr viel
    Geld einbringt. Du weißt noch nicht, was ein Autolöwe ist? Nun, wenn du ein paar Tage bleibst, wirst du es wissen; wer etwas auf sich hält, hat einen von Drischkas Löwen hinten im Auto auf der Fensterbank liegen - und du wirst in diesem Lande kaum jemand finden, der nichts auf sich hält... Das wird ihnen schon eingebleut, was auf sich zu halten; sie haben aus dem Krieg manches mitgebracht, die Erinnerung an Schmerz und
    Opfer, aber heute halten sie was auf sich - hast du nicht die
    Leute da unten in der Halle gesehen? Sie gingen zu drei verschiedenen Banketten: zu einem Bankett der linken Opposition, zu einem Bankett der Gemeinnützigsten aller Gemeinnützigen und zu einem Bankett der rechten Opposition - aber du müßtest schon ein Genie sein, wenn du herausfinden wolltest, wer von ihnen zu welchem Bankett geht.«
    »Ja«, sagte Schrella, »ich habe dort unten
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