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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben
Autoren: Julius Rodenberg
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Klavierspiel, dort aus einem Hofe die Drehorgel. Sonst ist es sehr still hier, wo man am Wochentag kaum vorwärts kommt auf dem schmalen Trottoir. Alles scheint ins Freie geflogen.
    Nun auf einmal erscheint im Hintergrund eine dichte Masse Grüns; es ist der »Hain«, wie sie in dieser Gegend den Friedrichshain nennen. Immer deutlicher tritt erhervor, man kann die Baumkronen schon unterscheiden, wie sie sich eine neben und über der andern wölben. Aber ich halte darauf, wie ein rechter Berliner »Cockney«, wenn der Ausdruck erlaubt ist, meinem Ziele nicht auf Nebenwegen zu nahen. Wenn der Berliner vor das Landsberger Tor gehen will, so geht er durch die Landsberger Straße; das ist schon sein halbes Vergnügen. Und sie kann sich auch wohl sehen lassen, diese Straße mit ihren großen und ihren kleinen Häusern, wie sie grade durcheinandergewürfelt sind. Das Grün ist verschwunden, aber dafür haben wir diese malerischen Perspektiven, die ich liebe und selbst in diesen langen, als nüchtern verschrienen Berliner Straßen finde, wenn Licht und Schatten wechseln, wenn Seitenstraßen sich öffnen, in denen das anmutige Spiel sich fortsetzt; wenn hier unter dem Torbogen eines alten Wirtshauses ein Frachtwagen gesehen wird, mit weißem Leinen bespannt, und dort ein lattenumzäunter Hof erscheint, wie eine Meierei mit Ackerwagen und Ackergerät, mit Stallungen und Kühen, ein märkisches Idyll, wie Schmidt von Werneuchen es nicht besser hätte singen können und noch dazu vielleicht an der identischen Stelle, wo der vorhinnigen Exzellenz, des Generalfeldmarschall Derfflingers, verfrorener Weinberg lag!
    Allein ich kann die Bemerkung nicht unterdrücken, daß man in dieser Gegend der Stadt für bürgerliche Meriten weit mehr Anerkennung und Dankbarkeit besaß als für die militärischen. Von dem alten Haudegen, der am Landsberger Tor von seinen gewonnenen Schlachten ausruhte, erzählt hier keine Straße mehr. Dagegen verewigt der Büschingplatz und die Büschingstraße den Namen des hochverdienten Mannes, der siebenundzwanzig Jahre lang Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster war und durch seine klassische »Erdbeschreibung« den Grund zu der neueren wissenschaftlichen Behandlungder Geographie gelegt hat. Hier in der damals ländlichen Gegend besaß er ein Gartenhaus, und in seinem eigenen Garten ward er bestattet. Erst im Jahre 1873 bei dem Durchbruch der Landwehrstraße durch die Gollnowstraße wurden der Garten, das Gartenhaus und das Grab beseitigt und die Gebeine Büschings und der Seinigen nach dem Kirchhof der Georgengemeinde vor dem Landsberger Tor getragen, wo sie seitdem an bevorzugter Stelle ruhen. Die Litzmannsgasse heißt nach einem angesehenen berlinischen Bürgermeister dieses Namens, die Waßmannsstraße nach einem Zimmermann, der einen Gartenfleck seines Grundstücks, und die Gollnowstraße nach einem Stadtverordneten, der seine Scheune dem gemeinen Besten opferte. Wenn man dankbar zu jener Zeit war, so war man auch bescheiden: Für eine Scheune hatte man die Unsterblichkeit! Unsere Stadtverordneten haben es nicht mehr so billig.
    Jenseits des Büschingplatzes nimmt die Landsberger Straße einen überwiegend modernen Charakter an, es ist ihr neuestes und letztes Stück. Am Ende derselben stand noch bis vor etwa zehn Jahren das Landsberger Tor, und eine Mauer schloß sich daran, welche nicht aussah, als ob sie irgendeinem Feinde Trotz bieten könne. Das war denn auch freilich ihre Bestimmung nicht: Sie war keine Fortifikationsmauer wie jene aus den Zeiten der Kurfürsten und ersten Könige, sondern diente den eminent friedlichen Zwecken der Schlacht- und Mahlsteuer. Doch engte sie die Stadt ein und gab ihr ein unschönes Aussehen: Schlecht gepflasterte und auch sonst nicht zum besten gehaltene Wege, Kommunikationen genannt, vermittelten, dicht unter der Mauer, den Verkehr der Fußgänger von Tor zu Tor. Diese Mauern und Tore sind längst gefallen, und wenn man jetzt auf den Landsberger Platz kommt, so hat man einen wirklichgroßstädtischen Anblick vor sich: Zu beiden Seiten ausgedehnt liegt eine prachtvolle neue Straße: die Friedenstraße – links, wo die Kommunikation am Königstor war, ihr vornehmerer Teil, mit wahrhaft herrschaftlichen Häusern an einer schönen Promenade; rechts, wo die Kommunikation am Landsberger Tor war, eine Straße, wie einer von den Pariser äußern Boulevards, in der Mitte mit Bäumen bepflanzt und so breit wie in Berlin etwa nur noch die Straße Unter den Linden.
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