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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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verpflichtete Bartolomeo Lancia in einen Gelehrten verwandelt. Mit heiterer Ironie betrachtete er den Jagdeifer seines Sohnes und meinte einmal, in seiner Familie habe es Feldherren, Bürgermeister, auch Notare und Richter gegeben, da könne man einen Jäger schon einmal verkraften. Er hoffe nur, sein Enkel Galvano werde sich einmal nützlicheren Dingen zuwenden. Das war Biancas älterer Bruder, Don Tommasos Erstgeborener. Mit seinen vierzehn Jahren erschien er Bianca fast schon wie ein Erwachsener. Aber es gab noch den damals achtjährigen Giordano, der – wenn es ihm gerade gefiel – grimmig über das Wohl seiner kleinen Schwester wachte.
    Biancas Mutter, Donna Gaetana, entstammte einem uralten piemontesischen Adelsgeschlecht, eine dünnblütige, häufig kränkelnde Schönheit, von Mann und Söhnen vergöttert, stets zerstreut und ihren Kindern gegenüber eher nachsichtig. Die beiden Söhne, vor allem Galvano, hielten sich mehr an den Vater, während Bianca von Berta mit Liebe und der gebotenen Strenge erzogen wurde. Donna Gaetana war das ganz recht – zwar liebte sie ihre Kinder, doch sie hatte nie so recht gewusst, was sie mit ihnen anfangen sollte.
    Zurück zu jenem schwarzen Tag, da Don Tommaso Lancia im Valgraziosa nahe der Ortschaft Calci seiner Lieblingsbeschäftigung nachging. Als Adliger übte er ausschließlich die Hohe Jagd aus, stellte nur dem sogenannten edlen Wild nach, also Hirsch und Reh, Steinbock und Gemse; von den Raubtieren waren es Bär, Wolf und Luchs. Dazu hätten auch Fasane, Auerhähne, Kraniche, Reiher und Schwäne gehört, doch die Pirsch auf jede Art von Vögeln lehnte er ab, auch die vom Adel besonders geschätzte Jagd mit dem abgerichteten Falken. Es entsprach seinem Wesen, beim Waidwerk den ganzen Menschen einzusetzen und nicht einem dressierten Vogel die Arbeit zu überlassen.
    Nun war in diesen Tagen aus dem seiner Herrschaft unterstehenden Calci die Klage gekommen, eine Bärenplage nehme so überhand, dass die Schweinehirten sich weigerten, ihr Vieh auf die alljährliche Eichelmast in die Wälder zu treiben. Zwei von ihnen seien dabei auf gräßliche Weise schon umgekommen. Der
podestà
in eigener Person war nach Pisa gekommen und hatte bei der Herrschaft die Beschwerde vorgebracht.
    Don Tommaso, ohnehin schon dabei, alles für die herbstliche Jagd vorzubereiten, nahm auch einige der schweren, langen Spieße |26| mit, mit denen man den Bären zu Leibe rückte. Galvano, der Erstgeborene, sollte ihn begleiten, aber da fiel von Donna Gaetana alle Zerstreutheit ab.
    „Nein, mein Lieber“, so forderte sie mit fester, entschlossener Stimme, „eine Bärenhatz ist mir für den Jungen zu gefährlich. Lasst ihn erst einmal erwachsen werden!“
    Natürlich fügte sich Don Tommaso, aber Galvano fühlte sich in seinem Stolz verletzt.
    „Ich bin erwachsen, Frau Mutter! Mit vierzehn ist man nach dem Gesetz …“
    Da wurde Don Tommaso zornig.
    „Halte deinen Mund! Deine Mutter hat recht und es war unbedacht von mir, dich auf eine Bärenjagd mitnehmen zu wollen.“
    „Ihr hättet mich wenigstens zuschauen lassen können.“
    Da musste Don Tommaso laut lachen.
    „Auch das hat schon so manchen das Leben gekostet. Nein, mein Sohn, da warten wir noch ein paar Jahre. Ich aber darf die guten Leute nicht mehr warten lassen …“
    Eilig brach Don Tommaso mit seinen Gehilfen auf, bezog im Palazzo della Città Quartier und ließ sich von den Betroffenen genau erklären, in welchem Gebiet die Hirten getötet oder wo Bären gesichtet worden waren. Auch Jörg, Bertas Mann, war unter seinen Begleitern. Seit seine Frau Biancas Amme geworden war, hatte sich auch sein Ansehen gehoben. Jörg war ein gutmütiges Raubein und fürchtete nichts, ausgenommen seine Frau. Von simplem Geist und dürftiger Sprache, war auf ihn dennoch unbedingter Verlass. Da einfache Leute nur einen Vornamen tragen und dazu meist die Bezeichnung ihrer Herkunft, ihres Berufs oder den Vornamen des Vaters, hatten italische Zungen aus ihm einen Giorgio da Ponte gemacht. An Innsbruck hätten seine Kameraden sich die Zunge zerbrochen und so wurde „Bruck“ daraus – in der Landessprache
ponte
.
    Am nächsten Morgen brachen sie dann auf und ein paar Mutige begleiteten Don Tommaso und zeigten ihm die Stellen, wo man die zerfleischten Hirten gefunden hatte. Die Fundorte lagen nicht weit auseinander in einer kleinen Waldlichtung. Don Tommaso hatte bis jetzt keinen Bären erlegt und so wollte er sich kundig machen. Vor allem bewegte ihn
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