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Beuterausch

Beuterausch

Titel: Beuterausch
Autoren: Lucky Jack & McKee Ketchum
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hackt die Pfoten ab.
    Dann bohrt sie das Messer unter die Haut, hebt sie ein wenig vom Fleisch ab, schneidet eine Linie vom Hals bis zur Leiste und macht eine kleinen kreisförmigen Schnitt um den Anus herum. Sie zieht das Fell von den Schultern – ihre eigenen Schultern straffen sich dabei –, zerrt es über die Vorderbeine, stellt sich breitbeinig über den Wolf und zieht es weiter über Brust und Rücken, Hüften und Hinterbeine, bis es schließlich abgelöst ist.
    Mit einem weiteren Schnitt an der Mitte des Tieres herab, wieder vom Hals bis zu den Lenden, kreuzt sie den Schnitt um den Anus und achtet dabei darauf, nur flach einzutauchen, um die inneren Organe nicht zu verletzen. Sie öffnet den Brustkasten, greift mit beiden Händen hinein, hebt die Eingeweide in einem Stück heraus und lässt sie auf den Boden schwappen.
    Leber, Herz und Nieren sortiert sie aus und legt sie zur Seite. Diese Teile wird sie sofort braten. Zu anderen Zeiten, wenn sie größeren Hunger hätte oder die Familie ernähren müsste, würde sie die übrigen Organe ebenfalls reinigen und weiterverwenden, aber im Moment hat sie reichlich Fleisch.
    Sie füttert die Flammen.
    Sie hebt das Fell auf und hängt es zum Trocknen über einen Felsvorsprung. Ihre Verletzungen pochen.
    Sie spitzt einen langen Ast an, spießt Leber, Herz und Nieren auf und hält sie zum Anbraten dicht über das Feuer, wendet sie einmal und legt sie dann auf die Steine, damit sie langsam garen.
    Der Kadaver des Wolfs muss noch zerlegt werden, aber das kann warten. Ihr Körper braucht dringend Nahrung. Das Blut des Wolfs war nicht genug.
    Sie sammelt die restlichen Eingeweide auf und wirft sie für die schreienden, kreisenden Möwen die Felswand hinunter.
    Später, als die Nacht anbricht, liegt sie auf ihrem Lager und lauscht dem Knistern des Feuers und dem fernen Schlagen der Wellen und spürt eine Beklemmung, deren Ursprung sie nicht ausmachen kann. Vielleicht ist es die Höhle, die Leere darin. Sie hört keine Geräusche – nur das Feuer und die Brandung. Keine unruhigen Kinder. Keine Schlafgeräusche von Erstgeraubter oder Zweitgeraubte. Kein Stöhnen des Viehs.
    Es geschah so schnell. In ihrer Welt läuft das Leben oft schnell ab. Vor zwei Nächten waren sie noch zu elft. Erstgeraubter, Zweitgeraubte, das Vieh, das Mädchen, der Junge mit dem getrübten Auge, die Zwillinge, Wiesel, Sandfresser, das Baby und sie, die Anführerin, die sie damals Älteste nannten. Alle zusammen in einer viel größeren Höhle, in der sie diejenigen Sachen aufbewahrten, die sie auf vielen Raubzügen und Jagdausflügen gesammelt hatten. Jetzt ist sie allein.
    Allein, bis auf den Geist des Wolfs. Aber der Wolf ist einen guten Tod gestorben. So wie auch sie sterben wird. Es ist nicht sein Geist, der sie beunruhigt.
    Und Einsamkeit kennt sie.
    Was dann?
    Sie hört ein absteigendes, pfeifendes Trällern von draußen. Immer und immer wieder.
    Eine Eule, die irgendwo hockt und ihren Partner ruft.
    Schließlich übertönt vom Tosen der Wellen.

2
    2
    »Lass das, Roger!«
    Er hatte sie gerade zum zweiten Mal nass gespritzt, und aller guten Dinge waren drei. Beim nächsten Mal würde sie in den Pool waten und den kleinen Scheißer ertränken.
    Pubertäre Jungs. Großer Gott.
    »Ach, verdammt, Peg. Komm schon rein. Es ist sengend heiß da draußen.«
    Er hatte natürlich recht. Es war wirklich heiß. Und sie wäre wahrscheinlich überall lieber als hier im Garten auf dieser Würstchen-und-Burger-Party, wo sie Limonade statt Bier bekam, während ihre Eltern und deren Nachbarn und sogenannte Freunde sich durch den Nachmittag süffelten. Sie fühlte sich wie in einer Falle. Dieses Gefühl hatte sie zurzeit ständig. Und in dem Kapuzenpulli war es höllisch heiß. Aber sie würde ihn nicht ausziehen, und sie würde auch nicht in das verfluchte Wasser steigen.
    Ganz sicher würde sie nicht Roger Kaltsas Drängen nachgeben, der am Beckenrand dicht neben ihren herabbaumelnden langen gebräunten Beinen hing und sie lüstern anglotzte.
    »Mit geht’s gut, Roger, danke.«
    Roger war vierzehn, sie sechzehn. Wenn er überhaupt schon mal ein Buch gelesen hatte, dann für die Schule, und er kannte den Ausdruck sotto voce noch nicht.
    »Schlampe«, murmelte er und stieß sich vom Beckenrand ab.
    »Das hab ich gehört, du Arschloch«, sagte sie. Aber da hatten sich seine Ohren wohl schon mit Chlorwasser gefüllt.
    Das Wasser war angenehm an ihren Beinen.
    Wenigstens drängten ihre Mom und ihr Dad sie nicht
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