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Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Autoren: Thomas Schuler
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nach. Daher möchte ich Ihnen mitteilen, dass kein Vorstandsmitglied für ein Interview zur Verfügung steht. Die Bertelsmann Stiftung nimmt auch zu den 44 Punkten, die Sie als Fragen eingereicht haben, keine Stellung.«
    Was nach Meinung der Stiftung umfassend ist, erlaubt kein umfassendes Bild der Arbeit und Finanzierung. Die Stiftung verweist gerne darauf, dass sie national und international tätig ist. Aber als der Vorstand Ende April den Jahresbericht vorstellt, sind nur bestimmte Journalisten erwünscht. Auf meine Bitte um eine Einladung zur Jahrespressekonferenz antwortet Pressesprecher Andreas Henke: »Wie schon in den vergangenen Jahren richtet sich die Einladung zur Jahrespressekonferenz der Bertelsmann Stiftung an Journalisten in der Region Ostwestfalen. Aus diesen Gründen können wir Ihnen leider keine offizielle Einladung zusenden.«
    Transparenz ist Reinhard Mohns Vermächtnis, so wie es seine Erben darstellen. Sie zitierten ihn im April 2010 mit den Worten: »Transparenz fördert in der Gesellschaft und in der internationalen Zusammenarbeit Verlässlichkeit und Vertrauen.« Seine Idee, Leistungen vergleichbar zu machen, alles zu messen, folgte stets dem Gedanken der Transparenz. Was offen liegt, darüber kann diskutiert werden und das kann verbessert werden. Warum nimmt sich die Stiftung davon aus? Warum nehmen Politik und Öffentlichkeit sie davon aus?
    Vor sechs Jahren setzte sich die Stiftung für ein Informationsfreiheitsgesetz und das Recht der Bürger auf Akteneinsicht in Behörden ein. Das ist im Sinne der Bürger. Nordrhein-Westfalen erhielt ein solches Gesetz, aber Stiftungen wurden davon ausgenommen, obwohl sie gemeinnützig und steuerbefreit sind. Transparenz gilt für andere. Die Bertelsmann Stiftung bleibt von der Öffentlichkeit weitgehend unkontrolliert. Dieses Buch ist ein Anfang, sie ein wenig transparenter zu machen.

1. Ein Modell für Deutschland – Vorläufer und Grundprinzipien der Bertelsmann Stiftung
    Eine Stiftung ist ein Vermögen, verbunden mit einer Idee. Die Idee betrifft die Frage: Was fördern? Kern und Voraussetzung einer Stiftung ist also Kapital, das der Besitzer in eine Stiftung einbringt. Er muss das Vermögen erben oder schaffen. Reinhard Mohn hatte beides: Er erbte und er schuf. Das Vermögen, das er erbte, bestand aus einem Verlag, den der Vater mit Opportunismus und Anbiederung an die Machthaber im »Dritten Reich« durch den Zweiten Weltkrieg gebracht hat. Der 1921 geborene Reinhard Mohn baute ihn in den Nachkriegsjahren weiter auf.
    Als Soldat lernte Mohn, dass erfolgreiches Führen bedeutet, Verantwortung zu delegieren. Darauf hatte ihn ein traumatisches Erlebnis im Krieg gebracht. Als 21-jährigem Leutnant waren ihm 45 vorbestrafte Soldaten unterstellt. Als sich einer zu spät zurückmeldete und Mohn ihm drohte, ihn zu melden (was den Betroffenen ins Gefängnis gebracht hätte), erschoss dieser sich. Daraus lernte Mohn, dass Disziplin ohne Eigenverantwortung unverantwortlich ist. Wer führt, muss Verantwortung delegieren, um erfolgreich zu sein. Auf diesen Grundsatz baute Mohn sein Unternehmen auf. Dezentrale Führungstechnik und Delegieren von Verantwortung wurden zu Mohns Schlüsselbegriffen, die sein Verständnis von Unternehmenskultur prägten. Diese Erkenntnis wollte er mit seiner Stiftung der Gesellschaft weitergeben.
    Die Bertelsmann AG ist heute ein Unternehmen, in dem 2009 rund 100 000 Mitarbeiter in 1 013 Einzelfirmen mit Fernsehen (RTL Group), Zeitschriften (Gruner + Jahr), Büchern (Random House) und Dienstleistungen (Arvato) in mehr als fünfzig Ländern 15,4 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafteten. Bertelsmann ist somit Europas größter Medienkonzern. Kapital- und Stimmrechte sind getrennt. Mehrheitseigentümerin ist mit 77,4 Prozent der Kapitalrechte die von Familie Mohn kontrollierte Bertelsmann Stiftung; der Rest ist in Familienbesitz. Alle Stimmrechte kontrollieren Liz Mohn und zwei ihrer sechs Kinder, Brigitte und Christoph, über die sogenannte Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH. Obwohl die Stiftung gemeinnützig ist und somit von der Allgemeinheit finanziell gefördert wird, bestimmt de facto Familie Mohn alleine.
    Mohn gründete 1977 die Bertelsmann Stiftung, in Sorge, seine Erben würden sonst aus steuerlichen Gründen gezwungen werden, Bertelsmann aufzuteilen. »Die dominierende Zielsetzung«, wie Mohn 1986 in seinem Buch Erfolg durch Partnerschaft schrieb, war »die Sicherung der Unternehmenskontinuität«. Indem die Stiftung
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