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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Autoren: Philip Kerr
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Urnen, sich unter dem Ste phansdom befanden. Mehr Beweise für kaiserliche Sterblich keit konnte man nördlich von Kairo an keinem anderen Ort finden. Wie mir schien, fehlte niemand, ausgenommen der Erzherzog Ferdinand, der in Graz beerdigt war, ohne Zweifel darüber pikiert, daß die anderen auf seinem Besuch in Sara jevo bestanden hatten.
    Der weniger bedeutende Zweig der Familie, die Mitglieder der toskanischen Linie, waren in einfachen Bleisärgen am entfernten Ende der längsten Gruft wie Flaschen in einem Weinregal übereinandergestapelt. Ich erwartete fast, daß ein alter Mann zwei davon öffnete, um einen neuen Holzham mer und ein paar Pflöcke auszuprobieren. Die Habsburger mit dem ausgeprägtesten Selbstgefühl beanspruchten natür lich die prächtigsten Sarkophage für sich. Diesen riesigen, schauerlich verzierten Särgen schien nichts zu fehlen, außer Raupenketten und Geschütztürmen, um mit ihnen Stalin grad einzunehmen. Lediglich Kaiser Franz joseph 11. hatte sich bei der Wahl seines Behälters ein wenig Zurückhaltung auferlegt; und nur ein Wiener Reiseführer konnte den Sarko phag als « übertrieben schlicht» bezeichnen. Ich fand Oberst Poroschin in der Franz-joseph-Gruft. Er lächelte herzlich, als er mich erblickte, und klopfte mir auf die Schulter: «Sehen Sie, ich hatte recht. Sie können doch Kyrillisch lesen.»
    «Vielleicht können Sie auch meine Gedanken lesen.»
    « Gewiß», sagte er. «Sie fragen sich, was wir einander wohl noch zu sagen haben, angesichts all dessen, was gesche hen ist. Und vor allem an diesem Ort. Sie denken, daß Sie an einem anderen Ort vielleicht versuchen würden, mich zu tö ten.»
    «Sie sollten öffentlich auftreten, Poroschin. Sie könnten ein zweiter Professor Schaffer sein.»

    « Ich glaube, Sie irren sich. Professor Schaffer ist ein Hyp notiseur, kein Gedankenleser.» Er schlug mit seinen Hand schuhen auf seine Handfläche, wie jemand, der gerade einen Treffer gelandet hat. « Ich bin kein Hypnotiseur, Herr Gun ther.»
    « Unterschätzen Sie sich nicht. Sie haben es fertiggebracht, mich glauben zu lassen, ich sei ein Privatdetektiv und müsse nach Wien kommen, um zu versuchen, Emil Becker vom Ver dacht des Mordes zu befreien. Anders als durch Hypnose kann diese Einbildung kaum zustande gekommen sein.»
    « Eine wirkungsvolle Suggestion, vielleicht», sagte Poro schin, « aber Sie handelten aus eigenem freien Willen.» Er seufzte. « Schade um den armen Emil. Sie irren sich, wenn Sie glauben, ich hätte nicht gehofft, daß Sie seine Unschuld be weisen könnten. Aber um einen Schachausdruck zu benut zen, es war mein Wiener Gambit: Auf den ersten Blick er scheint es harmlos, aber die folgenden Züge stecken voller Feinheiten und aggressiver Möglichkeiten. Alles was man braucht, ist ein starker und tapferer Springer.»
    « Der war ich, schätze ich.»
    « Sie sagen es. Und jetzt ist das Spiel gewonnen.» « Würden Sie mir das näher erklären? »
    Poroschin deutete auf den Sarkophag rechts neben dem ein wenig erhöht stehenden von Kaiser Franz Joseph.
    « Der Kronprinz Rudolf», sagte er. « Er beging in dem be rühmten Jagdhaus in Mayerling Selbstmord. Die Geschichte darüber ist wohlbekannt, aber die Einzelheiten und Motive sind noch immer unklar. Nur in einem Punkt können wir ganz sicher sein: Er liegt in diesem Sarg. Das mit Sicherheit zu wissen ist für mich ausreichend. Aber nicht jeder, von dem wir glauben, er habe Selbstmord begangen, ist wirklich ge nauso tot wie der arme Rudolf. Nehmen Sie Heinrich Müller. Nachzuweisen, daß er noch immer lebt, das war schon einige Mühe wert. Das Spiel war gewonnen, als wir das mit Sicher heit wußten.»

    «Aber ich habe gelogen», sagte ich unbekümmert. «Ich gab Belinsky das Zeichen nur aus einem einzigen Grund: Ich wollte, daß er und seine Männer kamen, um mir zu helfen, Veronika Zartl zu retten, die Nutte aus dem Orientaf.»
    «Ja, ich gebe zu, daß Belinskys Abmachungen mit Ihnen im Kern alles andere als perfekt waren. Aber ich weiß zufäl ligerweise, daß Sie jetzt lügen. Sehen Sie, Belinsky war mit einer Gruppe von Agenten tatsächlich in Grinzing. Sie wa ren natürlich keine Amerikaner, sondern meine eigenen Männer. Jedes Fahrzeug, das das gelbe Haus in Grinzing ver ließ, wurde verfolgt, das Ihre, wie ich sagen darf, einge schlossen. Als Müller und seine Freunde Ihre Flucht entdeck ten, gerieten sie in eine solche Panik, daß sie fast auf der Stelle flohen. Wir folgten ihnen einfach in sicherer
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