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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Autoren: Ann Benson
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nickte langsam und müde. »Ich bin Arzt.«
    Der Blick, den Karle ihm zuwarf, verriet echte Hochachtung.
    »Dann habt Ihr Euch gut versteckt, mein Herr! Es heißt, hier in der Gegend gäbe es keine Ärzte.«
    »Nicht gut genug, denke ich, da Ihr mich leider gefunden habt. Aber wenn Ihr mich nicht gefunden hättet, hättet Ihr auch die Kraft gefunden, den Arm selbst abzunehmen – in einem Notfall – glaubt mir – ist das möglich.«
    Karles Miene verriet Zweifel. »Ich kann nicht sagen, ob ich die Kraft dazu in mir gefunden hätte. Was ist mit dem anderen?«
    Alejandro seufzte und schüttelte langsam den Kopf. »Seid Ihr ein barmherziger Mensch?« fragte er.
    Als sei er beleidigt, reckte Karle das Kinn und sagte: »Nur zu sehr.«
    »Dann müßt Ihr dem anderen Eure Gunst erweisen, indem Ihr ihn schnell erlöst. Er wird nicht länger überleben als ein paar Stunden, und die werden qualvoll sein, das versichere ich Euch. Ich habe genug Laudanum, um den ruhigzustellen, dessen Arm abgenommen werden muß – aber nicht genug, um die Schmerzen des anderen zu lindern. Denen ist am besten mit einem scharfen Schwert ein Ende zu bereiten.«
    Karle schaute voller Schrecken über Alejandros Schulter nach seinen beiden Kriegern; Kate tat ihr Bestes, wischte ihnen sanft den Schweiß von der Stirn und säuberte ihre Gesichter mit kühlem Wasser.
    »Habt Ihr kein Gift?« erkundigte er sich flehentlich.
    Alejandro sah Karle erneut in die Augen. Er erkannte darin den gleichen Ausdruck, den er oft bei seinem eigenen Spiegelbild gesehen hatte, die Furcht und Unsicherheit eines Mannes auf der Flucht. Zweifellos würde er nichts verlieren, wenn er offen sprach.
    »Ich bin in den Heilkünsten bewandert und habe einen Eid geschworen, niemandem Schaden zuzufügen. Diesen Eid habe ich häufiger gebrochen, als ich mich erinnern möchte; aber ich beabsichtige nicht, das jetzt wieder zu tun. Und ich kenne mich mit Giften nicht aus. Diese Dinge sind das Geschäft des Apothekers. Oder des Alchimisten. Mein Beruf beinhaltet etwas anderes.«
    »Ich wollte Euch nicht kränken …«
    »Das bin ich auch nicht. Also, dieser Mann ist Euer Kamerad, nicht wahr?«
    Karle senkte mitfühlend den Blick; ohne daß er es wollte, erinnerte er sich wieder an den Kampf. »Oho! Und ein wertvoller dazu.«
    »Dann seid ihm ein ebenso wertvoller Freund und erlöst ihn!«
    Widerstreben und Entsetzen breiteten sich auf Karles Gesicht aus. »Im Kampf habe ich viele Soldaten getötet«, erklärte er, »aber nie einen meiner eigenen. Zwar war ich bei so etwas schon Zeuge – aber ich weiß nicht, ob ich die Willenskraft besitze, es selbst zu tun.«
    Alejandro legte Karle sanft eine Hand auf die Brust, direkt über dem Herzen. Karle versteifte sich, wich aber nicht zurück. »Zielt mit dem Schwert waagerecht so, daß es zwischen diese Rippen gleitet«, er zeigte mit den Fingern auf die genaue Stelle, »und dann stoßt einmal schnell zu.«
    Karle zuckte zusammen, als spüre er das Schwert zwischen seinen eigenen Rippen.
    »Die Methode ist nicht anders, als wenn man einen Eber oder ein anderes Tier erlegt«, erläuterte Alejandro ernst. »Obwohl sie Euch viel entsetzlicher vorkommen mag. Aber wenn der Sterbende rasch zu seinem Gott geschickt wird, können wir unsere Anstrengungen auf den konzentrieren, der vielleicht eine Chance hat.« Er starrte Karle nochmals in die Augen. »Ich denke, wir müssen uns rasch entscheiden, nicht wahr?«
    Der Mann mit dem bernsteinfarbenen Haar wußte, daß Alejandro sein Vertrauen verdiente.

    Sie hoben den Soldaten, der gerettet werden konnte, von der Trage und legten ihn auf den langen Tisch in der Mitte der dunklen Hütte. Alejandro gab Karle das blutige Tuch und flüsterte: »Legt dies um das Schwert, um das Blut aufzusaugen, bevor Ihr zustoßt. Es wird blutig genug zugehen, wenn wir diesem hier den Arm abnehmen. Und jetzt beeilt Euch, sonst verlieren wir alle beide.«
    Der Arzt wandte sich ab. Guillaume Karle stand über seinem tödlich verwundeten Kameraden, das Tuch in der einen Hand, sein Schwert in der anderen. Tränen füllten seine Augen, als er die Spitze des Schwertes auf die Brust des Mannes setzte. Er bekreuzigte sich und tat tapfer seine Pflicht. Der Sterbende bäumte sich auf und stieß scharf die Luft aus, schrie aber nicht. Dann fiel er schlaff zurück, und Blut begann aus seinem offenen Mund zu sickern.
    Alejandro nickte Karle erbarmungsvoll zu und sagte: »Ihr habt Mut gezeigt. Der Mann ist gut und ehrenhaft gestorben.
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