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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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ist schon erneuert, im Flur zeigt sich die neue Elektrik in einem glatten, weißen Sicherungskasten mit zahmen kleinen Schaltern.
    Die Villa ist so still, als wäre gerade jemand ausgezogen. Als käme sie allein klar, genüge sich selbst. Kein Haus, das unbedingt eine Familie braucht, tobende Kinder, um es mit Leben zu füllen. Es führt sein eigenes Leben, stolz und unabhängig.
    Ich gehe die Treppe hoch, deren Geländer ein bisschen wackelt. Oben sind die Türen mit gummiartigen Schichten alter Lacke bedeckt. Es ist noch viel zu tun. Die zahlreichen Fenster, die Türen, die vernarbten Wände, eine Heizung. Die heruntergekommene Holzveranda, das lose Parkett, der verwilderte Garten. Ich zähle alles auf. Es beruhigt mich. Erst wenn alles instand gesetzt ist, kann er einen Käufer suchen. Ein neues Objekt finden. An einem anderen Ort. Ich brauche mir keine Fragen zu stellen bis dahin. Ihm keine Fragen zu stellen.
    Ich öffne eine Tür und steige hinauf in das Turmzimmer. Ein kleiner Raum ohne sinnvollen Nutzen, drei Fensterchen, durch die man in den Himmel blicken kann. Ich schaue gern in den Himmel. Ich trete nahe an ein Fenster, sehe von oben die blühende Obstwiese vor dem Haus. Höre die Treppe hinter mir knarren, drehe mich nicht um. Neben dem Fenster endet eine Reihe gewölbter Dachziegel in einem Drachenkopf. Das Dach ist bereits ausgebessert und Marek ist besonders stolz, dass er Ersatz für diese pflaumenfarbenen, mit Schnörkeln verzierten Ziegel organisiert hat. Ihm macht es Freude, solche Dinge in Ordnung zu bringen, mir macht es Sorgen.
    »Was macht dir Sorgen, Kleiner?«
    Ich trete einen winzigen Schritt zurück, lehne mich an dich.
    »An meinem Haus müssen die Fenster gestrichen werden. An der Wetterseite bröckelt der Putz. Und ich habe Angst, dass das Dach hinüber ist, es regnet herein.« Ich spüre deine Stoppeln an meiner Schläfe.
    »Ich schaue mir das mal an, wenn ich Zeit habe.« Beruhigende Sicherheit in deiner Stimme, vergesse meine Sorgen nur zu willig für den Moment. Ich drehe mich herum. In deiner Halskuhle ruht ein gezackter Anhänger an einem Lederband. Ein schöner Anhänger, er steht dir gut. Du trägst ihn erst, seit du wieder herkamst. Ein Geschenk vielleicht. Nichts, was man von irgendjemandem geschenkt bekommt. Ich lege eine Hand auf deine Schulter.
    »Ein altes Haus bedeutet eben immer Arbeit.« Ich spüre dein Zögern, bevor du weiterredest: »Könntest du dir auch vorstellen, woanders zu leben?«
    Ich kenne diese Frage, stelle sie mir selbst oft genug. Und bin weit von einer Antwort entfernt. Nur in einem sicher: »Ich hänge an meinem Haus. Mehr weiß ich nicht.« Ich fahre mit dem Daumen über den Anhänger, er ist warm von deiner Haut. Es wäre hilfreich, du würdest mir Alternativen zeigen. Die Welt da draußen. Wenigstens deine Welt. Die mir unbekannt ist. Von der ich nicht einmal weiß, mit wem du sie teilst.
    »Man muss auch loslassen, Benjamin. Ich liebe jedes Haus. Jedes, das ich kaufe und renoviere. Ich verliebe mich in das Haus. Ich kenne jedes seiner Details, seine Macken. Es wächst mir ans Herz. In jedem Haus kann man einen anderen Traum leben. Aber irgendwann muss man sich davon trennen.«
    Ich schüttle den Kopf: »Bei mir ist das etwas anderes. Ich habe nicht Dutzende Häuser. Nur dieses eine.« Ich löse meinen Blick von dem Anhänger. Sehe dich an.
    »Ich weiß«, du lächelst. Ich frage dich nach dem allerliebsten deiner Häuser, ob es dir nicht schwerfiel, es loszulassen.
    »Am meisten hänge ich an der Wassermühle. Ein sehr altes Haus, einsam und feucht gelegen. Der Fußboden in der Küche war morsch. Ich entfernte die Bretter. Und darunter war nichts, kein Fundament, keine Erde. Nur der Mühlbach. Ich fügte trittfestes Glas in den Fußboden ein und nun kann man beim Kochen das Wasser rauschen sehen. Ich habe es an das niedrigste Angebot verkauft. An jemanden, der es zu schätzen wusste.«
    Während du davon erzählt, weiß ich, was dein Herz zum Schlagen bringt, will daran teilhaben.
    »Zeigst du mir die Mühle mal?«, frage ich leise. Du löst dich von mir.
    »Ach weißt du, ich war erst letztens mit einer Freundin da.«
    Eine Freundin, so. Eine Freundin, mit der du dein Lieblingshaus besichtigst. Du trittst ans Fenster, schaust hinaus, deine Hände an der Fensterlaibung. Ich könnte dich immer beobachten, wie du da stehst, nach unten blickend, den Nacken leicht gebeugt.
    »Sie heißt Anna, vielleicht bringe ich sie mal mit. Du wirst sie
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