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Beifang

Titel: Beifang
Autoren: Ulrich Ritzel
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und gewartet hat, dass die beiden drinnen zu einem Ende kommen, und ob er vielleicht herumgelaufen ist und durch ein verdrecktes Fenster gespäht hat, damit er ein Stück von dem Tier zu sehen bekommt, von dem Tier mit den zwei Rücken und der weißen und der olivfarbenen Haut …«
    »Er hat sie gehört«, antwortete der Richter trocken, »Vren konnte sehr laut sein.«
    »Na also«, sagte Berndorf. »Und wann hat er Ihnen das erzählt?«
    »Am nächsten Tag. Als Vren weg war.« Veesendonks Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er sah abweisend aus und verschlossen. »Er sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen. Ohne uns käme sie sehr viel besser zurecht und hätte vermutlich auch noch Spaß daran.«
    Berndorf sah den Richter an. Der gab den Blick zurück, ruhig und kalt.
    »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte Berndorf nach einer Weile. »Nein, ich glaube nicht, dass der brillante, der hoch bedeutende Eisholm, der kommende Staranwalt, der Ihre Freundin drei Wochen lang vergeblich mit seinen Anspielungen und Sticheleien betatscht hat - dass der Ihnen erzählt, wie er draußen um eine windschiefe Garage herumstreicht und zuhört, wie die drinnen es treiben... das hat er erst einmal schön für sich selbst behalten.«
    »Und warum hat er es mir dann doch erzählt? Und wann genau, Ihrer Meinung nach?«
    »Als der richtige Zeitpunkt gekommen war, am vergangenen Mittwoch«, antwortete Berndorf. »In der Verhandlung muss er wohl ein paar Mal bei Ihnen aufgelaufen sein. Bis er sich gedacht hat, dem zeige ich es jetzt. So ist er zu Ihnen …«
    »Daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht«, unterbrach ihn Veesendonk.
    »Sie haben aber nie gesagt, was er wirklich wollte«, gab Berndorf
zurück. »Er wollte Sie aus dem Verfahren kegeln, und so drohte er Ihnen, Sie wegen Befangenheit abzulehnen …«
    »Ach!«, sagte Veesendonk. »Und was wäre die Begründung gewesen?«
    »Er würde vorgetragen haben, dass Sie gar nicht anders könnten, als den Hauptmann Morny für schuldig zu halten. Dieser sei durch seine Frau ebenso gedemütigt worden wie Sie durch Ihre damalige Verlobte Vren, denn beide Frauen hätten sich gleichermaßen prostituiert - ein für das gutbürgerliche Milieu, dem Sie sich verpflichtet fühlen, absolut unverzeihlicher Fehltritt... In Ihren Augen, Herr Vorsitzender Richter - so würde Eisholm fortgefahren haben -, in Ihren Augen müsse Hauptmann Morny schon deshalb genau jenes Verbrechen begangen haben, das eigentlich das Ihre hätte sein sollen. Mit anderen Worten: Sie seien im Begriff, in der Person des Angeklagten Morny die Erinnerung an eine Demütigung zu verfolgen, die Ihr eigenes Leben vergiftet … So ungefähr.«
    Richter Veesendonk hatte aufmerksam zugehört, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die Hände vor dem Kinn gefaltet.
    »Interessant«, meinte er. »Nur vergessen Sie, dass das Thema Prostitution im Verfahren bis dahin überhaupt keine Rolle gespielt hat.«
    »Weil Sie es nicht zugelassen haben«, widersprach Berndorf. »Eisholm hätte das als weiteres Indiz dafür genommen, dass Sie in diesen Fall ganz persönlich involviert sind. Sie ertragen noch nicht einmal, dass dieses Thema angesprochen wird, hätte er gesagt.«
    »Und deswegen habe ich ihn umgebracht?«
    »Ich glaube, das Gespräch zwischen Ihnen hat ganz unverfänglich begonnen. Sie sind auch gar nicht interessiert gewesen, es zu vertiefen. Außerdem - so nehme ich an - wollten Sie an jenem Abend eigentlich mit dem Zug nach Hause fahren, und so sagten Sie Eisholm, Sie müssten jetzt zum Bahnhof. Er ließ sich aber nicht abschütteln, er begleitete sie, er kam auf frühere Zeiten zu sprechen, ganz beiläufig ließ er die Katze aus dem Sack und erzählte von jener Rückfahrt und davon, wie er
vor der Werkstatt gewartet hat. Die Katze begann mit der Maus zu spielen …« Berndorf blickte auf. »Ich nehme an, Sie waren per Du? Das wusstest du doch alles, wird er gesagt haben, so naiv kann man doch gar nicht sein, aber wenn es so ist, dass du dies alles noch immer verdrängst, dass du dieses bestimmte eine Thema nicht erträgst - dann muss ich dich wegen Befangenheit ablehnen, denn du hast offenkundig diese Geschichte von damals bis heute nicht überwunden und lädst sie auf meinen Mandanten ab...«
    »Und da habe ich ihn vor den Zug gestoßen?«
    »Da erinnerte sich die Maus an einen Judogriff und packte die Katze und stieß sie vor den Zug, jawohl«, antwortete Berndorf.
    »Nun«, sagte Veesendonk und stand auf, »wenn Sie das meinen,
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