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Beichte eines Verfuehrers

Beichte eines Verfuehrers

Titel: Beichte eines Verfuehrers
Autoren: Hart Megan
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denken. Weil er nicht länger der Ritter in der glänzenden Rüstung war, der mich vor allem beschützte.
    Die Trauer ging nicht von einem Tag auf den Nächsten. Sie war wie Farbe, die langsam abblätterte, bis sie das wahre Bild offenbarte. Ich musste mich selbst nach und nach von diesen Schichten befreien, bevor ich darüber nachdenken konnte, mich selbst zu sehen.
    Der Frühling kam mit voller Pracht und Sonnenschein. Ich arbeitete in meinem Garten und pflanzte Stauden, die Adam geliebt hätte … Aber genauso pflanzte ich Blumen, die ich mochte und von denen ich wusste, dass er sie nicht gemocht hätte.
    An manchen Tagen vergaß ich, dass er nicht mehr da war, bis ich an der geschlossenen Tür seines Schlafzimmers vorbeikam. Dann gab es Tage, an denen mein Herz so heftig schmerzte, dass ich nicht anders konnte, als ihn zu vermissen. Und dann gab es Tage, an denen ich abends ins Bett ging und von Lavendelduft und dem Geschmack von Whiskey und Regen auf meinen Lippen träumte.
    Ich nutzte die Zeit, um alte Kontakte wieder aufzufrischen. Es brauchte seine Zeit, bis mich die Trauer langsam verließ, aber bald fühlte es sich an, als würde ich daran wachsen und nicht zugrunde gehen.
    Vor langer Zeit war ich glücklich gewesen, das zu sein, was Adam brauchte. Selbst jetzt bereute ich es nicht. Noch immer liebte ich ihn, aber es war an der Zeit, herauszufinden, wer ich war, nachdem er fort war.
    Vermutlich hatte ich gedacht, dass ich weinen würde, wenn ich begann, Adams Zimmer auszuräumen. Die medizinischen Geräte nahm ein Wohlfahrtsverband gerne als Spende, und für mich war es ein gutes Gefühl zu wissen, dass jemand davon profitieren konnte. Seinen Stuhl, sein Bett, all die anderen Geräte half ich hinauszutragen, und ich blinzelte nicht einmal. Seine Kleider packte ich in Kartons, die ich später zu einem Secondhandladen brachte. Die Bücher schenkte ich Freunden, die diese zu schätzen wussten. Stück für Stück räumte ich mit jedem Tag das Zimmer aus, das er sich als Gefängnis erwählt hatte. Zuletzt blieb nichts außer dem Fußboden und den grünen Wänden und all den Erinnerungen an jene glücklichen Stunden in diesem Raum, als wir einander liebten.
    Als ich seinen Computer ein letztes Mal hochfuhr, war es fast, als hielte ich noch mal Adams Hand. Hier hatte er gearbeitet und geschrieben. Einmal scherzte ich, dass er mit dem Computer verheiratet war, und er hatte nicht widersprochen. Ich wollte diese letzte Erinnerung an ihn tilgen, ohne einen Blick darauf zu werfen. Es wäre mir wie ein Betrug an Adam vorgekommen, in seinen Unterlagen zu wühlen, ein größerer Betrug als die Monate, in denen ich Joes Geschichten gelauscht hatte. Dieser Computer war ein Teil von Adam gewesen wie seine Augenfarbe oder sein Lächeln.
    Die Daten auf der Festplatte interessierten mich nicht, ich hatte einen eigenen Computer. Seine Vorlesungen waren auf einer CD gespeichert und die Programme waren unwichtig. Da ich den Computer einer Vorschule spenden wollte, musste ich alles löschen.
    Ich konnte es nicht. Schließlich nahm ich ein paar CDs und begann, seine Daten darauf zu speichern. Die Vorlesungen und seine E-Mails löschte ich, weil sie mich nichts angingen. Die Webseiten, die er als Lesezeichen markiert hatte, löschte ich ebenfalls.
    Als ich zu seinen persönlichen Dokumenten gelangte, hielt ich inne. Ich starrte auf den Computerbildschirm, weil das, was ich sah, mich überraschte. Ein Ordner hieß „Sadie“.
    Immer hatte Adam ein Feedback von mir verlangt. Manche seiner Gedichte hatte er mir in zehn oder zwanzig Versionen vorgetragen, und der einzige Unterschied war manchmal nur ein Komma oder ein Wort. Weil er nicht mehr über das Schreiben redete, hatte ich geglaubt, er hätte damit aufgehört. Aber wie in so vielen Dingen lag ich auch hier falsch.
    Zwei schnelle Mausklicks brachten mich dorthin, wo ich lange nicht gewesen war. Adam hatte mir den Blick in sein Inneres verwehrt. Hier hatte er Dutzende Gedichte verfasst, in entsetzlicher Langsamkeit, die ihn selbst vermutlich am meisten genervt hatte.
    Er hatte über seine Wut geschrieben. Seinen Frust. Er schrieb über seine Freude und die Befriedigung, die es für ihn war, endlich wieder zu schreiben, ebenso schrieb er über seine Verzweiflung, wenn die Worte nicht kamen. Eine Seite nach der anderen füllte er mit diesen vorsichtigen Formulierungen, den kleinen, knappen Haikus und den ausschweifenden Gedichten, die keiner Form gehorchten. Ich wusste, dass er
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