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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)
Autoren: Jan Caeyers
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dass ein Tutti-Geiger, der Konzertmeister wird, in den Augen seiner Kollegen immer ein Tuttist bleibt und dass ein Konzertmeister, der zum Kapellmeister aufsteigt, nie als richtiger Dirigent wahrgenommen wird. Für einen Chorsänger, der Kapellmeister wird, ist der Sprung über mehrere Stufen der Hierarchie erst recht ein Salto mortale. Mangel an Eifer kann man Louis van Beethoven kaum vorwerfen. Da es ihm an der natürlichen Autorität des wahren Talents fehlte, versuchte er sich durch die Tugenden seines Herkunftsmilieus zu behaupten: Fleiß, Disziplin, Organisationsfähigkeit. Das reichte aber offensichtlich nicht. Zwar gibt es viele Hinweise darauf, dass Louis sich für die Orchestermusiker und Chorsänger einsetzte, doch wird auch über einige Zwischenfälle berichtet; mehrmals soll die Autorität des Kapellmeisters so sehr in Frage gestellt worden sein, dass der Kurfürst eingreifen musste.
    Sein neuer Status hielt Louis van Beethoven nicht davon ab, nebenher einen kleinen Weinhandel zu betreiben, den er in den Vorjahren aufgebaut hatte. Er belieferte hauptsächlich niederländische Kunden und besaß einen beachtlichen Kellervorrat; leider nahm infolge dessen auch der Privatverbrauch im Hause Beethoven bedenklich zu, und der Alkohol konnte seinen fatalen Einfluss auf die Familie entfalten. Das erste Opfer war Louis’ Ehefrau, die am Ende ihres Lebens sogar in einem als Irrenanstalt genutzten Kloster eingesperrt wurde. Der einzige Sohn wurde später wegen seines Alkoholismus in den Ruhestand versetzt und verlor die väterlichen Rechte. Und als der Komponist Ludwig van Beethoven, Louis’ Enkel, im Jahr 1827 starb, hatte er eine zerstörte Leber.
    Wie viel Louis mit seinem Weinhandel verdient hat, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass nach seinem Tod im Jahr 1773 sein Sohn Jean zwischen dem Begleichen von Schulden – 1774 wurde er sogar von einem Gläubiger verklagt – und dem Eintreiben der nicht immer korrekt verbuchten Außenstände lavieren musste. Am Ende wird ihm ein Überschuss geblieben sein. Man weiß heute, dass Jean van Beethoven eine nicht unerhebliche Summe geerbt hat und einige Jahre in relativem Wohlstand leben konnte. Das traditionelle Bild eines in Armut aufgewachsenen Ludwig van Beethoven ist also eine romantische Erfindung und verzerrt die Realitäten.[ 3 ]
    Dennoch scheint es, als könne man bei den Beethovens im Allgemeinen von einer Art ererbter Unfähigkeit im Umgang mit Geld sprechen. Louis’ Eltern wurden 1732 zum ersten Mal wegen illegaler Geschäfte belangt. Später wurden sie im riskanten Spiel mit Anleihen, Hypotheken und Wechseln immer leichtsinniger, bis zum Bankrott im Jahr 1740. Ihre Verurteilung 1744 konnte nur noch in Abwesenheit erfolgen. Schon 1739 waren sie von Mecheln nach Kleve geflüchtet; bald darauf ließen sie sich in Bonn nieder, wo beide 1749 starben.
    Auch aus späterer Zeit kennen wir fantastische Berichte über den kreativen Unternehmergeist der Beethovens und ihr übermütiges Balancieren auf der Grenze zwischen dem Möglichen und dem Zulässigen. Markanter Tiefpunkt dieser Familientradition war die geschäftliche Laufbahn eines gewissen Ludwig van Beethoven Ende des 19. Jahrhunderts. Dieser einzige Sohn des Neffen Karl, also Großneffe des berühmten Komponisten, wurde 1872 in einem umfangreichen Betrugsfall zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren verurteilt. Er setze sich in die Vereinigten Staaten ab, wo er zuerst eine Weile in der Eisenbahnindustrie arbeitete, dann in New York, Chicago und Philadelphia Büros für die Vermittlung von Lastenträgern betrieb und schließlich viel Geld mit einer geradezu futuristisch-originellen Unternehmung verdiente – einem Rollstuhlservice für Senioren und Behinderte auf der Weltausstellung von Chicago 1893. Die Beethovens sind dickköpfige Kämpfernaturen mit empfindlichem Stolz. An seiner Hauptgeschäftsstelle in der New Yorker 4th Avenue ließ Ludwig van Beethoven ein Schild anbringen, auf dem zu lesen war: «New York Commissionaire Company – Louis von Hoven, Managing Director». Am Ende kehrte er jedoch nach Europa zurück – vermutlich nach Paris, vielleicht auch nach Brüssel – und starb völlig verarmt irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Seinem einzigen Sohn, Karl Julius van Beethoven, erging es noch schlechter: Er krepierte 1917 in einem Wiener Lazarett. Mit ihm, dem letzten, unverheiratet und kinderlos gebliebenen Nachkommen, fand das Mechelner Geschlecht der Beethovens ein glanzloses Ende.
    Weil
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