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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
Autoren: Jonathan Stroud
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Rauchschwaden ins Zimmer. Niedrige Decke, wellige Tapete, an der Wand der verblichene Druck einer düsteren holländischen Landschaft. Einen komischen Geschmack hatte der Junge. Ich hätte eher Popsängerinnen oder Fußballspieler erwartet… Die meisten Zauberer sind schon in ihrer Jugend schrecklich angepasst.
    »Du Ärmster –«, meine Stimme klang sanft und mitleidsvoll, »die Welt ist schlecht und man hat dich schlecht auf sie vorbereitet.«
    »Ich habe keine Angst vor dir! Ich habe dir einen Auftrag erteilt und fordere dich auf zu gehen!«
    Die zweite Entlassung. Meine Eingeweide fühlten sich an wie von einer Dampfwalze überrollt, und ich spürte, wie meine Gestalt flackerte und flimmerte. Trotz seiner Jugend verfügte dieser Knabe über beträchtliche Macht.
    »Nicht mich hast du zu fürchten, jedenfalls vorerst nicht. Simon Lovelace wird dir schon selbst die Hölle heiß machen, wenn er merkt, dass man ihm sein Amulett gestohlen hat, und dein jugendliches Alter wird für ihn kein Anlass zur Nachsicht sein.«
    »Du musst mir zu Diensten sein.«
    »Schon gut.« Eins musste man ihm lassen: Er war fest entschlossen. Und ziemlich dumm.
    Er hob die Hand. Ich vernahm die erste Silbe des Methodischen Schraubstocks. Er wollte mich durch Schmerzen gefügig machen.
    Ohne mich mit weiteren Spezialeffekten aufzuhalten, machte ich mich davon.
     

2
    Es schiffte wie aus Kübeln, als ich in der Abenddämmerung im Londoner Stadtteil Hampstead auf einer Straßenlaterne landete. Das war mal wieder typisch. Ich hatte die Gestalt einer Amsel angenommen, eines munteren kleinen Burschen mit leuchtend gelbem Schnabel und pechschwarzem Gefieder, aber bei so einem Mistwetter blieb keine Feder trocken. Ich drehte das Köpfchen und entdeckte auf der anderen Straßenseite eine hohe Buche. Am Boden häufte sich rings um den Stamm vermodertes Laub – die Novemberstürme hatten bereits die Blätter heruntergefegt –, doch ihr dichtes Geäst versprach ein wenig Schutz. Als ich hinüberflog, brummte unter mir ein einsames Auto die breite, dunkle Vorortstraße entlang. Hinter hohen Mauern und immergrünen Hecken schimmerten die hässlichen weißen Fassaden stattlicher Villen wie bleiche Totengesichter. Na ja, vielleicht lag es auch an meiner Stimmung, dass sie mir so vorkamen. Fünferlei störte mich. Zunächst einmal hatte der dumpfe Schmerz eingesetzt, der jede körperliche Erscheinung begleitet, diesmal spürte ich ihn in den Federn. Abermals die Gestalt zu wechseln, hätte den Schmerz eine Weile in Grenzen gehalten, andererseits konnte gerade das in diesem kritischen Stadium der Unternehmung unnötiges Aufsehen erregen. Solange ich nicht wusste, ob die Luft rein war, musste ich Vogel bleiben.
    Zweitens das Wetter. Kein Kommentar.
    Drittens hatte ich die Nachteile von Körpern völlig vergessen. Es juckte mich am Schnabelansatz, und ich versuchte vergeblich, mich mit dem Flügel zu kratzen.
    Viertens der Junge. Was ihn betraf, hatte ich Fragen über Fragen. Wer war er? Wieso war er lebensmüde? Wie konnte ich es ihm heimzahlen, ehe ihn die gerechte Strafe für sein Ansinnen ereilte? So was spricht sich rum, und ich würde Prügel dafür beziehen, dass ich mich von so einem Nichtsnutz herumscheuchen ließ.
    Fünftens… das Amulett. Nach allem, was ich gehört hatte, ein äußerst zauberkräftiger Gegenstand. Keine Ahnung, was der Wicht damit anfangen wollte, wahrscheinlich wusste er es selber nicht. Vielleicht wollte er es sich als Modeschmuck um den Hals hängen. Vielleicht war Amulettabziehen ja gerade der letzte Schrei, sozusagen die Zauberer-variante von Radkappenklauen. Wie auch immer, zunächst einmal musste ich es beschaffen, und das war kein leichtes Unterfangen, nicht einmal für mich.
    Ich schloss meine Amseläuglein und öffnete meine inneren Augen, eins nach dem andern, jedes auf einer anderen Ebene. 4
(Ich habe Zugang zu sieben Ebenen, die alle gleichzeitig existieren. Sie überlappen einander wie die Schichten bei einem Blätterteig. Sieben Ebenen sind völlig ausreichend. Wer mehr benutzt, will bloß angeben. )
Dann schaute ich mich nach allen Seiten um und hüpfte dabei auf meinem Ast hin und her, um mir einen möglichst guten Überblick zu verschaffen. Nicht weniger als drei Villen in der Straße verfügten über magische Schutzvorrichtungen – ein Beweis, in was für einer piekfeinen Gegend ich mich befand. Die beiden weiter entfernten Häuser nahm ich nicht näher unter die Lupe, mich interessierte das Gebäude
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