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Baltrumer Bitter (German Edition)

Baltrumer Bitter (German Edition)

Titel: Baltrumer Bitter (German Edition)
Autoren: Ulrike Barow
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weitaus
schlimmeren Unterkünften übernachten müssen. Die Wände waren frisch tapeziert.
Die Vorhänge passten farblich zur Bettwäsche. Das Badezimmer mit seinen grauen
Fliesen – na ja. Sie schob die Gardine zur Seite und schaute aus dem Fenster.
Hinter der Strandmauer sah sie das Meer, das fast wellenlos in der Sonne
glänzte.
    *
    Margot Steenken war zufrieden. Es hatte nicht mal einen
halben Tag gedauert, bis sie ihre Wohnung nach einer kurzfristigen Absage
wieder vermietet hatte.
    Stadtmenschen, hatte sie spontan gedacht, als das junge Paar
bei ihr aufgetaucht war. Er: Anzughose in dunklem Blau, mit Bügelfalten, zu
einem dezent gestreiften Blazer und sie: Stöckelschuhe und kleines Kostüm.
Solche Typen sah man hier ansonsten nur, wenn das Ausflugsschiff von Norderney
anlegte. Auf Baltrum trugen die Urlauber bei diesem Wetter kurze Hose, T-Shirt
und Sandalen. Die beiden haben unterschiedliche Namen, überlegte Margot
Steenken. Scheinen wohl nicht verheiratet zu sein. Oder vielleicht doch. Das
weiß man heutzutage ja nicht mehr so genau. Ihr Bauchgefühl sagte im Moment gar
nichts. So entschied sie, dass es völlig egal war, wie die zwei miteinander
verbandelt waren.
    Schließlich lebten sie nicht mehr in den Sechzigern, als es
noch verboten gewesen war, unverheiratete Paare zusammen in einem Doppelzimmer
schlafen zu lassen. Damals hatte es den sogenannten Kuppelparagrafen gegeben.
Ihre Mutter hatte immer ganz genau hingeschaut, wer ihre Zimmer bezogen hatte.
Allerdings dann so manches Mal ein Auge zugekniffen. Hauptsache, das Geld
landete zum Schluss auf dem Konto. Die Winterzeit ohne Einnahmen war lang
genug.
    Margot nahm ihren Badeanzug aus dem Schrank und steckte ein
Handtuch in die Tasche. Zeit, schwimmen zu gehen. Das Wasser begann zwar gerade
wieder abzulaufen, aber es würde reichen für ihre tägliche halbe Stunde. Seit
vielen Jahren machte sie das nun schon, sobald die Temperatur es erlaubte. Sie
war im Frühjahr die Erste und im Herbst die Letzte, die ihre Baderunde genoss.
Gut für die Seele und für den Körper, behauptete sie stets, wenn ihre
Freundinnen sie wieder einmal mit ihrer Leidenschaft aufzogen.
    Im Garten saß Hilda. Den Stall mit den Meerschweinchen hatte
sie unter den großen Sonnenschirm geschoben. Ebenso ihre Liege. Margot fragte ihre
Tochter nicht, ob sie mitkommen wolle. Sie wusste genau, dass Hilda nur den
Kopf schütteln würde. Wasser machte ihrer Tochter Angst, seit sie als Kind
einmal davon zu viel geschluckt hatte. Eine große Welle war damals über sie
hinweggerollt. Noch heute erfasste Margot Steenken das Grauen, wenn sie an den
Moment zurückdachte, als das kleine, vor Angst verzerrte Gesicht immer wieder
aus dem Wasser aufgetaucht war, nur um gleich darauf wieder vom Meer
verschluckt zu werden. Es hatte in Wirklichkeit wohl nur ein paar Sekunden
gedauert, bis Arnold seine Tochter gepackt und sicher im Griff gehabt hatte,
aber sie würde diesen Anblick nie in ihrem Leben vergessen.
    Auf der Straße sah sie kaum einen Menschen. Es war einfach zu
warm fürs Spazierengehen.
    Sie stellte ihr Fahrrad bei der Mehrzweckhalle ab und machte
sich auf den Weg zum Badestrand. In Höhe der Strandkorbvermietung hörte sie
plötzlich ihren Namen. »Hey, Margot. Na, ruft das Wasser?« Sie legte die Hände
über die Augen und suchte den Strand nach dem Besitzer der Stimme ab.
    Da war er. Im Strandkorb Nummer 241. Knut Ohlenberg. Nebst
Claudia, Mark und Kevin. Gäste der ersten Stunde in ihrem Haus. Genauer gesagt
waren die Eltern von Knut Ohlenberg bereits Gäste in ihrem Haus gewesen, als
der noch ein kleiner Junge gewesen war. Jetzt kam auch er regelmäßig im Juli
mit seiner Familie aus Fröndenberg für vierzehn Tage an die Nordsee.
    »Na, Haus wieder voll?«, fragte er neugierig.
    Sie nickte. »Gerade ist die Wohnung bezogen worden.« Sie hatte
Ohlenbergs beim Frühstück erzählt, dass sie neue Gäste erwartete. Ohlenbergs
wollten immer alles ganz genau wissen.
    »Dann werden wir sie spätestens morgen beim Frühstück
kennenlernen«, sagte Knut vergnügt.
    »Haben die Kinder?«, fragte Kevin neugierig.
    »Ein junger Mann und eine junge Frau. Keine Kinder. Scheinen
nett zu sein«, fasste Margot für Ohlenbergs zusammen. »Jetzt muss ich aber los.
Das Wasser wartet nicht auf mich. Wir sehen uns.«
    Claudia Ohlenberg hatte derweil ihre Haltung im Strandkorb nur
unwesentlich verändert. Jetzt schob sie ihre Sonnenbrille über die wasserstoffblonden
Haare und stand auf. »Warte, ich
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