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Ballade der Liebe

Ballade der Liebe

Titel: Ballade der Liebe
Autoren: DIANE GASTON
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der sich immer noch nicht bewegt hatte. Die Farbe seiner Augen konnte sie nicht erkennen, aber sie spürte seinen Blick auf sich und wünschte, ihren Blick mit dem seinen zu verschmelzen.
    Flynn versuchte, die Empfindungen abzutun, die Rose O’Keefe in ihm auslöste, und redete sich ein, sie sei nur eine von vielen Frauen, auf die Tanner ein Auge geworfen hatte, vermochte allerdings nicht, den Blick von ihr zu wenden. Sein verstorbener Großvater, der einen Hang zu alten Mythen und rätselhaften Erscheinungen gehabt hatte, hätte ihm ins Ohr geflüstert: „Daran sind die Feen schuld.“
    Wenn auch keine Feen, so doch ein verrückter Wunsch. Denn Flynn hatte den Eindruck, Rose O’Keefe singe nur für ihn allein.
    Eine reine Illusion. Es gab nichts Persönliches zwischen ihm und dieser Frau, mit der er noch kein Wort gesprochen hatte. Die Empfindungen, die in ihm aufwallten, während er ihrem Gesang lauschte, waren Fantasien, ebenso töricht wie der Glaube an die Existenz von Feen. Er kannte seine Rolle genau. Er musste die Einwilligung von Miss O’Keefes Vater erlangen, die Tanner gestattete, seiner Tochter einen direkten Antrag zu machen. Vermutlich musste er ihr auch Geschenke überreichen und sie zu Verabredungen mit Tanner begleiten, Aufträge, die er bisher bedenkenlos erledigt hatte.
    Dummerweise betörten die Schönheit ihrer Stimme und die Anmut ihrer Persönlichkeit seine Sinne, benebelten ihm den Verstand. Als sie von Cupido sang, wurde Flynn klar, warum der Liebesgott Amor mit Pfeil und Bogen dargestellt wurde. Er fühlte sein Herz von einem süßen Stich durchbohrt.
    Am Ende des Liedes verneigte sich die schöne Sängerin tief im aufbrandenden Applaus, und Flynn erwachte aus einer absurden Traumwelt.
    „Bravo!“, rief Tanner neben ihm mit lauter Stimme. „Bravo!“
    Einen Augenblick später war die engelsgleiche Gestalt verschwunden, als sei sie nur ein Trugbild gewesen. Tanner klatschte so lange, bis die Hauptattraktion des Abends, der berühmte Bariton Charles Dignum, die Bühne betrat und zu singen begann.
    Flynn musterte Tanner, als habe sein Dienstherr sich plötzlich in den in Irland verhassten Cromwell verwandelt, der ihm und seinen Landsleuten Hab und Gut geraubt hatte. Ein absurde Vorstellung, die an Lächerlichkeit kaum zu überbieten war. Flynns Mutter war Engländerin, die seit ihren Jugendjahren in Irland lebte. In seinen Adern floss ebenso viel englisches wie irisches Blut.
    Heftig schüttelte er den Kopf, um seine törichten Gedanken loszuwerden. Rose O’Keefe hatte lediglich einen Anflug von Heimweh in ihm geweckt.
    Er presste die Finger an die Schläfen. Bald würde er wieder zur Vernunft kommen und seine Aufgaben pflichtbewusst verrichten.
    Als Tanner ihn beim Arm nahm und zurück ins Separee unter den Arkaden führte, klang ihre süße Stimme immer noch in Flynn nach wie ein verträumtes Echo:
    List to me, ye gentle fair; Cupid oft in ambush lies …

2. KAPITEL
    Rose spähte durch einen Spalt im Vorhang auf die Herren, die sich vor dem Bühneneingang drängten. Manche hielten Blumensträuße in den Händen, andere wedelten mit Visitenkarten und riefen ihren Namen. Falls er sich in der Schar der Bewunderer befand – der Mann, der ihr so hingerissen gelauscht hatte – konnte sie ihn jedenfalls nicht ausmachen.
    Sie wandte sich an ihren Vater. „Heute sind noch mehr gekommen.“
    „Ich wusste von Anfang an, dass du Erfolg hast, Mary Rose.“ Alroy O’Keefe legte seine Oboe in den Instrumentenkasten.
    „Ist es nicht fabelhaft?“ Die Frau, mit der er zusammenlebte, eine dralle Mitdreißigerin im tief ausgeschnittenen Kleid, war begeistert. „Jetzt haben wir freie Wahl.“
    Rose furchte die Stirn. „Mir geht es nicht darum, freie Wahl zu haben, Letty. Ich will nur singen.“
    Als sie vor vier Monaten unangemeldet an der Wohnungstür ihres Vaters geklopft hatte, wusste Rose nichts von Letty Dawes’ Existenz. In den Briefen, die ihr Vater ihr in die Mädchenschule in Killyleagh schrieb, hatte er Letty nie erwähnt, allerdings waren seine Briefe nie sonderlich ausführlich gewesen.
    Jedenfalls war O’Keefe völlig überrascht und wohl auch etwas enttäuscht, dass Rose sich entschlossen hatte, in London als Sängerin aufzutreten. Er hatte ihr wiederholte Male geraten, an der Schule in Irland zu bleiben, auf die er sie nach dem Tod ihrer Mutter geschickt hatte, wo sie nach ihrem Abschluss eine Anstellung als Musiklehrerin gefunden hatte. Aber Rose hielt sich für den Beruf einer
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