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Azazel

Titel: Azazel
Autoren: Isaac Asimov
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wirklich. Schließlich wachte ich tatsächlich auf und stellte fest, daß ich nach wie vor ein Gefangener der Schwerkraft war. Was empfand ich da für einen Verlust, was für ein unerträgliches Gefühl der Enttäuschung! Ich erholte mich erst nach Tagen davon.«
    Worauf George fast zwangsläufig antwortete: »Ich habe etwas Schlimmeres erlebt.«
    »Tatsächlich? Du hast einen ähnlichen Traum gehabt, nicht wahr? Nur größer und besser.«
    »Träume! Ich gebe mich nicht mit Träumen ab. Das überlasse ich kleinkarierten Schreiberlingen wie dir. Ich spreche von der Wirklichkeit.«
    »Du meinst, du bist tatsächlich geflogen. Soll ich etwa glauben, daß du mit einem Raumschiff im Orbit gewesen bist?«
    »Nicht in einem Raumschiff. Hier auf der Erde. Und nicht ich. Es war mein Freund Baldur Anderson - aber ich denke, ich erzähle dir besser die ganze Geschichte ... «
    Die meisten meiner Freunde [sagte George] sind Intellektuelle in gehobenen Positionen, was vermutlich auch deinem Selbstbild entspricht, nicht aber Baldur. Er war ein Taxifahrer ohne nennenswerte Bildung, aber mit einem großen Respekt vor der Wissenschaft. Wir verbrachten viele Abende in unserer Lieblingskneipe, tranken Bier und unterhielten uns über den Urknall, die Gesetze der Thermodynamik, Genetik und so weiter. Er war mir immer sehr dankbar, daß ich ihm diese unverständlichen Themen erläuterte, und bestand stets darauf, wiewohl ich, wie du dir denken kannst, stets heftig protestierte, die Rechnung zu begleichen.
    Es gab nur einen unschönen Aspekt seiner Persönlichkeit: Er war ein ungläubiger Thomas. Ich meine keinen ungläubigen Philosophen, der alle Aspekte des Übernatürlichen ablehnt, sich einer säkularen menschlichen Organisation anschließt und seine Meinung geflissentlich in Zeitschriften, die kein Mensch liest, in Form von Artikeln in einer ganz und gar unverständlichen Sprache kundtut. Was würde das schaden?
    Ich meine, Baldur war genau das, was man in alten Zeiten den Dorfatheisten genannt hätte. In der Kneipe führte er Diskussionen mit Leuten, die so wenig Ahnung von den Themen hatten wie er, und sie bedienten sich einer lauten und skurrilen Ausdrucksweise. Das waren wahrlich keine Musterbeispiele gepflegten Meinungsaustausch«. Eine typische Diskussion konnte so aussehen:
    »Also wenn du schon so ein Schlauberger bist, Hohlkopf«, sagte Baldur, »dann verrat mir doch einmal, woher Kain seine Frau hatte?«
    »Das geht dich nichts an«, entgegnete sein Kontrahent.
    »Denn laut der Bibel war Eva ja damals die einzige existierende Frau«, sagte er.
    »Woher weiß du das?«
    »Weil es in der Bibel steht.«
    »Gar nicht. Zeig mir die Stelle, wo steht: >Zu dieser Zeit war Eva die einzige existierende Dame auf der Welt.<«
    »Das wird impliziert.«
    »Impliziert, am Arsch.«
    »Ach ja?«
    »Ja!«
    In ruhigen Augenblicken versuchte ich, vernünftig mit Baldur zu reden. »Baldur«, sagte ich, »es ist sinnlos, über Glaubensfragen zu diskutieren. Man kommt zu keinem Ergebnis und sorgt nur für Verstimmungen.«
    Worauf Baldur trotzig erwiderte: »Es ist mein verfassungsmäßiges Recht, nicht an diese windigen Geschichten zu glauben und das auch zu sagen.«
    »Selbstverständlich«, sagte ich, »aber eines Tages wird einer der Herren, die alkoholische Erfrischungsgetränke zu sich nehmen, dir auf die Nase hauen, bevor ihm die Verfassung wieder einfallt.«
    »Diese Burschen«, antwortete Baldur, »sollen doch angeblich die andere Wange hinhalten. So steht es in der Bibel. Da steht: Mach kein Gewese wegen dem Bösen. Laß es einfach.«
    »Das könnten sie vergessen.«
    »Und wenn schon. Ich weiß mich meiner Haut zu wehren.« Das stimmte zweifellos, denn er war ein großer und muskulöser Mann mit einer Nase, die aussah, als hätte sie schon manchen Hieb einstecken müssen, und Fäusten, die den Eindruck erweckten, als hätten sie bei derlei Frevel Gleiches mit Gleichem vergolten.
    »Da bin ich ganz sicher«, sagte ich, »aber bei Streitgesprächen über Religion stehen meist mehrere Kontrahenten gegeneinander, während du allein bist. Ein Dutzend Leute, die sich einig sind, könnten dich durchaus zu Brei hauen. Außerdem«, fügte ich hinzu, »nehmen wir mal an, du gewinnst eine Diskussion über eine religiöse Frage. Das könnte dazu führen, daß einer dieser Herren vom Glauben abfallt. Möchtest du dafür wirklich die Verantwortung übernehmen?«
    Baldur schaute gequält drein, denn er war ein Mann gütigen Herzens. »Ich mache nie
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