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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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Flut an, bis der Sand, der vor kurzem noch von lachenden Kindern und flüsternden Liebenden bevölkert gewesen war, von dem unaufhaltsamen Schwall verschluckt wurde. Die Schar der von Panik erfaßten Zuschauer drängte blind nach hinten, als ihnen das Wasser über die Füße kroch, während die entsetzliche Linie der Ziehenden gräßlich weiter schwankte, schon halbversunken und jetzt in beträchtlicher Entfernung von den Augenzeugen. Es herrschte völliges Schweigen.
    Die Menge, die sich auf einem Fleck außer Reichweite der Flut zusammengedrängt hatte, starrte in stummer Faszination auf das Geschehen, ohne ein hilfreiches Wort oder eine Ermunterung oder daß sie irgendwie zu helfen versuchte. Ein Alptraum vor einem Drohend-Bösen, wie es die Welt noch nie zuvor gesehen hatte, lag furchtgebietend in der Luft.
    Minuten schienen sich zu Stunden zu dehnen, und noch immer war die Menschenschlange schwankender Leiber über der rasch ansteigenden Flut zu sehen. Rhythmisch wogte sie, langsam, entsetzlich, vom Siegel des Untergangs getroffen.
    Dickere Wolken zogen jetzt an dem höher steigendem Mond vorbei, und die glitzernde Spur auf dem Gewässer schwand beinahe völlig.
    Kaum sichtbar zuckte die Schlangenlinie nickender Köpfe, ab und zu glänzte das aufgeregte Gesicht eines nach hinten blickenden Opfers bleich in der Dunkelheit. Immer schneller zogen sich die bleichen Wolken in der Dunkelheit zusammen.
    Immer schneller ballten sich die Wolken, bis endlich ihre zornigen Umrisse fieberndes Feuer scharfzüngig herunterzucken ließen. Der Donner grollte, zunächst leise, doch bald stieg er an zu betäubender, rasender Stärke. Dann ein Krachen als Höhepunkt - ein Schlag, dessen Nachwehen das Land und das Meer gleichermaßen zu erschüttern schienen - gefolgt von einem Wolkenbruch, dessen alles durchdringende Gewalt die verdunkelte Welt überwältigte, als hätte sich der Himmel selbst geöffnet, um einen rachsüchtigen Strom auszugießen.
    Die Zuseher, die instinktiv handelten, da doch bewußtes und überlegtes Denken fehlte, wichen jetzt auf die Felsenstufen, die zur Hotelveranda führten, zurück. Unter den Gästen drinnen hatten sich Gerüchte verbreitet, so daß die Flüchtlinge sich einem Zustand des Entsetzens gegenübersahen, der beinahe dem ihren glich. Ich glaube, ein paar erschreckte Schreie wurden hervorgestoßen, doch ich kann es nicht mit Sicherheit sagen.
    Einige der Hotelgäste zogen sich voll Grauen in ihre Zimmer zurück, andere wiederer harrten aus, um die rasch sinkenden Opfer zu beobachten, wenn sich die Linie der nickenden Köpfe in den wechselnden Blitzen zeigte. Ich erinnere mich, daß ich an diese Köpfe und die hervorquellenden Augen, die sie haben mußten, dachte, an Augen, in denen sich wohl Furcht, Panik und Fieberwahn eines bösartigen Universums spiegeln mochten - all die Sorgen, Sünden, das Elend, die gescheiterten Hoffnungen und ungestillten Sehnsüchte, Furcht, Abscheu und Pein, erleuchtet von dem ganzen seelenzermürbenden Schmerz eines ewig flammenden Infernos.
    Und als ich so über die Köpfe hinaussah, zauberte meine Phantasie noch ein Auge hervor, ein einzelnes Auge, gleichermaßen erleuchtet, doch mit einer Absicht, die für mein Gemüt so abstoßend war, daß die Vision bald verging. An die Krallen eines unbekannten Lasters gefesselt, schleppte sich die Linie der Verdammten weiter, mitsamt ihren erstickenden Schreien und unausgesprochenen Gebeten, die nur den Dämonen der schwarzen Wellen und dem Nachtwind bekannt waren.
    Jetzt aber brach aus dem zornentbrannten Himmel solch ein verrückter Kataklysmus satanischer Klänge hervor, daß selbst das vorhergehende Krachen zur Bedeutungslosigkeit herabsank.
    Inmitten des blendenden Glanzes herabstürzenden Feuers warf die Stimme des Himmels die Gotteslästerungen der Hölle zurück, und die vielfältig gemischte Agonie der Verlorenen hallte wider von dem apokalyptischen, planetenzerreißenden Geheul eines zyklopischen Dröhnens. Das Ende des Sturms war gekommen, denn mit unheimlicher Plötzlichkeit setzte der Regen aus, und der Mond warf von neuem seine bleichen Strahlen auf ein seltsam ruhig gewordenes Meer.
    Keine Linie schwankender Köpfe war mehr zu sehen. Die Gewässer lagen ruhig und verlassen da, unterbrochen nur von den ausrollenden Wellen, die von einem Wirbel auszugehen schienen, weit draußen im Pfad des Mondlichts, von wo der seltsame, fremdartige Schrei zuerst gekommen war. Als ich jedoch die verräterische Straße silbrigen
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