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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt
Autoren: Dora Heldt
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Gedanken an Ines schrieb ich einen Wochenplan.
    Montag: Postfach einrichten
    Dienstag: zum Supermarkt fahren
    Mittwoch: Gardinen für mein Büro kaufen
    Donnerstag: zum Friseur gehen
    Freitag: Blumen und Balkonkästen kaufen
    |38| Ich erledigte nicht eine einzige Sache, mir war alles zu anstrengend. Ich musste mich zwingen, jeden Tag zu duschen und meine
     Haare zu waschen. Geschminkt hatte ich mich seit Tagen nicht mehr.
    Ab 18   Uhr stellte ich den Fernseher an und trank Rotwein, so lange, bis die Flasche leer war und ich betrunken im Sessel fast einschlief.
     Irgendwie schaffte ich es aber immer noch, mir die Zähne zu putzen und ins Bett zu wanken.
    Dann träumte ich von Antje und Bernd und wachte am nächsten Morgen verheult und verrotzt um 7   Uhr auf.
    So gingen die ersten Wochen meines neuen Lebens ineinander über – grau, elend und unabsehbar.
     
    An einem Freitagabend rief Marleen wieder an.
    Ich hatte mich mal wieder davor gedrückt, die Wohnung zu verlassen. Sie war die Erste, mit der ich an diesem Tag sprach, meine
     Stimme war belegt, verraucht, ich war angetrunken.
    Das Gespräch dauerte zehn Minuten und endete mit der Ankündigung, dass sie am nächsten Tag mit dem Zug um 12:30   Uhr am Hauptbahnhof ankäme.
    Schlagartig ernüchtert sah ich mich in meiner Wohnung um. Ich hatte seit Tagen nichts getan, überall lagen Klamotten herum,
     es standen immer noch unausgepackte Kisten im Flur, weder das Badezimmer noch die Küche waren geputzt.
    Ich kochte mir einen Kaffee und machte mich an die Arbeit.
     
    Noch vor dem Zug stand ich am Bahnsteig.
    Ich hatte geduscht, meine Beine epiliert, meine Augenbrauen gezupft, meine Haare gefönt und war geschminkt.
    Als ich meine beste Jeans anzog, stellte ich fest, dass sie mir mindestens eine Nummer zu groß geworden war.
    Ich dachte kurz an Antjes ewige Diäten und spürte Charlotte lächeln.
    Marleen war sofort zu sehen. Sie schleppte drei große Tüten mit Pflanzen und eine Reisetasche.
    |39| Als sie vor mir stand, sah sie mich scharf an.
    »Du bist dünn geworden und siehst scheiße aus. Da haben wir ja Arbeit.«
    Dann umarmte sie mich fest.
    »Ich will jetzt zuerst die fertige Wohnung sehen und diese Pflanzen loswerden. Alles Ableger, du hast doch bestimmt weder
     den Balkon noch die Terrasse bepflanzt. Danach gehen wir einkaufen. So wie du aussiehst, kann ich mir gut vorstellen, was
     in deinem Kühlschrank alles fehlt. Außerdem will ich shoppen gehen, nur teure Adressen, ich habe richtig viel Geld mit.«
     
    In meiner Wohnung kommentierte sie weder den Kühlschrank noch die leeren Flaschen, die in einer Kiste unter der Küchenbank
     standen, war aber ansonsten begeistert.
     
    Eine Stunde später fuhren wir auf den Parkplatz vorm Supermarkt.
    Ich hatte einmal versucht hier einzukaufen. Mein Einkaufswagen war schon halb voll gewesen, als ich am Regal mit Tierfutter
     vorbeikam.
    Sofort erstarrte ich, hatte nur den Gedanken: »Du wirst nie wieder Katzenfutter einkaufen.«
    Ich betrachtete die Lebensmittel in meinem Wagen. Es war viel zu viel, natürlich für Bernd mitgedacht. Als die Tränen kamen,
     ließ ich den Wagen stehen und flüchtete in mein Auto.
    Danach ging ich manchmal zur Tankstelle um die Ecke.
     
    Vor dem Supermarkt stand ein Flaschencontainer. Marleen öffnete den Kofferraum und lud die Kiste mit meinem Leergut aus.
    »Los, komm, ich sag nichts dazu, aber du kannst helfen sie zu entsorgen.«
    Es waren erschreckend viele Flaschen. Ein älteres Paar sah zu uns rüber, ich fühlte mich ertappt und sah Marleen schuldbewusst |40| an. Ungerührt warf sie eine Flasche nach der anderen in den Container und blickte zurück.
    »Das war doch wirklich eine tolle Party, was?«
    Ich musste lächeln.
     
    Nachmittags liefen wir durch die Innenstadt. Marleen wollte Unterwäsche kaufen und steckte mich mit ihrem Kaufrausch an.
    »So, Christine, und jetzt suchst du dir was richtig Scharfes aus. Für die Zukunft, ich will es dir schenken.«
    Ich leistete keinen Widerstand.
     
    Beladen mit Tüten und Paketen machten wir eine Pause im »Café Wien«, einer stillgelegten Barkasse auf der Binnenalster.
    Wir blickten auf die Alster, tranken Prosecco und rauchten. Ich fühlte mich seit Wochen wieder lebendig.
    Marleen sah mich von der Seite an.
    »Du hast jetzt deine Auszeit genommen und gelitten. O.k. Das brauchtest du auch, das ging mir nach der Trennung von Adrian
     auch nicht anders. Aber irgendwann ist Schluss. Du lässt dich nicht von diesem Arschloch
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