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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt
Autoren: Douglas Kennedy
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tragisch ausging und mit der ich leben konnte.
    Clark unterbrach mich nur selten, und Laughlin sah mich die ganze Zeit unverwandt an, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Nur einmal sah ich, wie er kurz das Gesicht verzog – und zwar als ich die Fäkalsprache wiedergab, die Coursen bei der Vergewaltigung Ivys ausgestoßen hatte. Das fand selbst ein so hartgesottener Polizist wie er unerträglich.
    Als ich fertig war, bedankte sich Clark und sagte, dass ich auf Kosten der Provinz Alberta gern noch eine Nacht in einem hübschen Hotel verbringen dürfe. »Das ist das Mindeste, was wir Ihnen schulden«, sagte er … Ich hatte jedoch eher das Gefühl, dass das mit dem kostenlosen Zimmer nur ein Trick war, um mich unauffällig im Auge zu behalten – so lange, bis der Gerichtsmediziner Coursens Selbstmord bestätigt hatte.
    »Und während Sie in diesem Hotelzimmer die Zeit totschlagen«, so Clark, »können Sie schon mal darüber nachdenken, wo Sie die nächsten drei Monate verbringen wollen, in denen Sie krankgeschrieben sind. Je früher Sie Kanada verlassen, desto besser.«
    Als ich mich zum Gehen wandte, erhoben sich auch Laughlin und Clark. Jeder gab mir zum Abschied die Hand. Nach einem letzten unmerklichen Nicken Laughlins wurde ich der Polizistin übergeben und wieder heimlich über den unterirdischen Parkplatz und den Lastenaufzug ins Hyatt zurückgebracht.
    Mein Zimmer hatte Internetanschluss, und so kontrollierte ich meinen Kontostand. Ich hatte mehr als genug Geld, um ein paar Monate irgendwo in Europa leben zu können. Noch vor einer Woche hatte ich im Reiseteil der New York Times gelesen, dass Berlin die einzige erschwingliche Hauptstadt Europas wäre. Wie sich herausstellte, flog die Lufthansa täglich von Calgary nach Frankfurt. Von dort aus gab es Direktflüge nach Berlin. Ich entdeckte sogar ein Last-Minute-Angebot für knapp 1000 Dollar. Nicht gerade ein Schnäppchen, aber machbar.
    Ich rief an und reservierte gleich für den nächsten Abend einen Flug.
    Gegen halb sechs rief Clark an, um sich nach mir zu erkundigen.
    »Gibt es schon was Neues vom Gerichtsmediziner?«, fragte ich.
    Am anderen Ende der Leitung entstand ein peinliches Schweigen. Dann meinte Clark, laut Calgarys Gerichtsmedizinern habe Coursen sich die Kehle durchgeschnitten und sei an dem anschließenden Blutverlust gestorben.
    »Inzwischen wurden auch zwei Skelette im Keller gefunden – alles, was er Ivy gesagt hat, scheint zu stimmen. Im Moment überschüttet uns jede Polizeidienststelle, bei der Mädchen vermisst gemeldet wurden, mit Anfragen. Wir werden Jahre brauchen, um den anderen Fällen nachzugehen.«
    »Und ich werde die nächsten Monate in Berlin verbringen.«
    »Sie Glückliche. Wann geht Ihr Flug?«
    »Schon morgen.«
    »Das ist gut, denn in den Medien wird schon jede Menge über die Retterin Ivys spekuliert. Über die ›eigenbrötlerische Bürgerwehrlerin‹, wie sie dieses Drecksblatt, die Calgary Sun, getauft hat. Die Presse macht uns die Hölle heiß, weil wir uns weigern, ihren Namen zu nennen. Wir sagen immer wieder, dass wir damit nur ihrem Wunsch entsprechen. Aber mit jeder Anfrage wächst der Druck. So gesehen ist es gut, dass Sie bereits morgen das Land verlassen. Und damit Ihr Abflug auch wirklich problemlos über die Bühne geht, werde ich Sie gegen Mittag im Hotel abholen, zum Packen in Ihre Wohnung bringen und Sie dann um drei zum Flughafen kutschieren, damit Sie Ihre Fünf-Uhr-Maschine bekommen.«
    »Woher wissen Sie, wann mein Flug nach Frankfurt geht?«
    »Ganz einfach, ich habe während unseres Gesprächs nachgeschaut.«
    Noch eine Nacht mit genügend Schlaf. Noch eine heimliche Flucht aus dem Hotel, nur dass der Wagen diesmal von Sergeant Clark gelenkt wurde. Er brachte mich zurück in meine Wohnung und gab mir eine halbe Stunde, um zu packen. Wegen des Zeitdrucks musste ich mich konzentrieren, aber ich besaß so wenig Kleidung, dass meine Tasche in wenigen Minuten gepackt war. Alle Rechnungen – die Miete, die Nebenkosten, das Handy – wurden direkt von meinem Konto abgebucht. Mein Gehalt würde weiterhin eingehen, zumindest für eine Weile. Mein Handy würde ich auch weiterhin ausgeschaltet lassen. Bis auf meinen Banker in Boston kannte niemand meine private E-Mail-Adresse. Und mein Postfach in der Bibliothek würde während meiner Abwesenheit ebenfalls unkontrolliert bleiben. Ich hatte die Möglichkeit, erneut von der Bildfläche zu verschwinden.
    Das wollte auch Clark: Am Flughafen fuhr er mich zu
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