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Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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eben Sonntag war, in einem altmodischen
     Überrocke mit großen silbernen Knöpfen und einem langen spanischen Rohr mit einem sehr massiven silbernen Stockknopf darauf,
     der schon von weitem in der Sonne funkelte. Ich fragte ihn sogleich mit vieler Höflichkeit: «Können Sie mir nicht sagen, wo
     der Weg nach Italien geht?» – Der Bauer blieb stehen, sah mich an, besann sich dann mit weit vorgeschobener Unterlippe und
     sah mich wieder an. Ich sagte noch einmal: «nach Italien, wo die Pomeranzen wachsen.» – «Ach, was gehn mich seine Pomeranzen
     an!» sagte der Bauer da und schritt wacker wieder weiter. Ich hätte dem Manne mehr Konduite zugetraut, denn er sah recht stattlich
     aus.
    Was war nun zu machen? Wieder umkehren und in mein Dorf zurückgehen? Da hätten die Leute mit den Fingern auf mich gewiesen,
     und die Jungen wären um nach herumgesprungen: Ei, tausend willkommen aus der Welt! wie sieht es denn aus in der Welt? hat
     Er uns nicht Pfefferkuchen mitgebracht aus der Welt? – Der Portier mit der kurfürstlichen Nase, welcher überhaupt viele Kenntnisse
     von der Weltgeschichte hatte, sagte oft zu mir:
    «Wertgeschätzter Herr Einnehmer! Italien ist ein schönes Land, da sorgt der liebe Gott für alles, da kann man sich im Sonnenschein
     auf den Rücken legen, so wachsen einem die Rosinen ins Maul, und wenn einen die Tarantel beißt, so tanzt man mit ungemeiner
     Gelenkigkeit, wenn man auch sonst nicht tanzen gelernt hat.» – Nein, nach Italien, nach Italien! rief ich voller Vergnügen
     aus und rannte, ohne an die verschiedenen Wege zu denken, auf der Straße fort, die mir eben vor die Füße kam.
    Als ich eine Strecke so fortgewandert war, sah ich rechts von der Straße einen sehr schönen Baumgarten, wo die Morgensonne
     so lustig zwischen den Stämmen und Wipfeln hindurchschimmerte, daß es aussah, als wäre der Rasen mit goldenen Teppichen belegt.
     Da ich keinen Menschen erblickte, stieg ich über den niedrigen Gartenzaun und legte mich recht behaglich unter einem Apfelbaum
     ins Gras, denn von dem gestrigen Nachtlager auf dem Baume taten mir noch alle Glieder weh. Da konnte man weit ins Land hinaussehen,
     und da es Sonntag war, so kamen bis aus der weitesten Ferne Glockenklänge über die stillen Felder herüber, und geputzte Landleute
     zogen überall zwischen Wiesen und Büschen nach der Kirche. Ich war recht fröhlich im Herzen, die Vögel sangen über mir im
     Baume, ich dachte an meine Mühle und an den Garten der schönen gnädigen Frau, und wie das alles nun so weit lag – bis ich
     zuletzt einschlummerte. Da träumte mir, als käme die schöne Frau aus der prächtigen Gegend unten zu mir gegangen oder eigentlich
     langsam geflogen zwischen den Glockenklängen, mit langen weißen Schleiern, die im Morgenrote wehten. Dann war es wieder, als
     wären wir gar nicht in der Fremde, sondern bei meinem Dorfe an der Mühle in den tiefen Schatten. Aber da war alles still und
     leer, wie wenn die Leute Sonntags in der Kirche sind und nur der Orgelklang durch die Bäume herüberkommt, daß es mir recht
     im Herzen weh tat. Die schöne Frau aber war sehr gut und freundlich, sie hielt mich an der Hand und ging mit mir und sang
     in einem fort in dieser Einsamkeit das schöne Lied, das sie damals immer frühmorgens am offenen Fenster zur Gitarre gesungen
     hat, und ich sah dabei ihr Bild in dem stillen Weiher, noch viel tausendmal schöner, aber mit sonderbaren großen Augen, die
     mich so starr ansahen, daß ich mich beinahe gefürchtet hätte. – Da fing auf einmal die Mühle, erst in einzelnen langsamen
     Schlägen, dann immer schneller und heftiger an zu gehen und zu brausen, der Weiher wurde dunkel und kräuselte sich, die schöne
     Frau wurde ganz bleich, und ihre Schleier wurden immer länger und flatterten entsetzlich in langen Spitzen wie Nebelstreifen
     hoch am Himmel empor; das Sausen nahm immer mehr zu, oft war es, als bliese der Portier auf seinem Fagott dazwischen, bis
     ich endlich mit heftigem Herzklopfen aufwachte.
    Es hatte sich wirklich ein Wind erhoben, der leise über mir durch den Apfelbaum ging; aber was so brauste und rumorte, war
     weder die Mühle noch der Portier, sondern derselbe Bauer, der mir vorhin den Weg nach Italien nicht zeigen wollte. Er hatte
     aber seinen Sonntagsstaat ausgezogen und stand in einem weißen Kamisol vor mir. «Na», sagte er, da ich mir noch den Schlaf
     aus den Augen wischte, «will Er etwa hier Poperenzen klauben, daß Er mir das schöne
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