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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman
Autoren: PeP eBooks
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angerufen, um es zu vermitteln.«
    » Wieso ausgerechnet du?«
    Joachim zuckte mit der Schulter. » Vielleicht weil er herausgefunden hat, daß der Jubilar mein Vater ist.«
    » Und, hast du?«
    Er schüttelte den Kopf. » Ich kenne die Dame nicht. Es hätte ja sein können, er hat ihren Namen dir gegenüber mal erwähnt…« Er brach ab und stand auf. » Wahrscheinlich eine seiner vielen Affären, bevor es dich gegeben hat.«
    Er öffnete die Studiotür und streckte ihr die Hand zum Abschied hin. Als sie einschlug, hielt er sie etwas länger fest als nötig. » Leb wohl, und sag ihm…« Seine Stimme klang versöhnlicher als zu Beginn, so daß sie sich fast schon Hoffnungen machte.
    » …warum sagst du es ihm nicht selbst? Er probt nur ein paar Häuserblocks entfernt von hier, im Lincoln Center. Wir fliegen erst am Nachmittag zurück.«
    » …sag ihm nichts! Ich glaube, es ist besser so.«
    Als Maria über den Parkplatz kam, öffnete Lassally ihr von innen die Taxitür. » War vielleicht doch keine so gute Idee?«
    Sie setzte sich neben ihn und nickte. Sie hatte sich die Begegnung mit Joachim einfacher vorgestellt. » Aber ich bin sicher, daß er kommen wird.«
    Nachdenklich blickte sie aus dem Fenster, während das Taxi zurück zum Broadway fuhr. Am Lincoln Center stieg sie aus.«Willst du nicht reinkommen und wenigstens hallo sagen?«
    Lassally schüttelte den Kopf.
    » Aber du kommst nach Monte Carlo?«
    » Wie versprochen. Ich bringe die Partitur und die Notenauszüge mit und stelle dich deinem Orchester vor.«
    » Danke, Victor. Darf ich?«
    Lassally schloß die Augen und senkte seinen Kopf wie ein Kater, der gestreichelt werden will.
    » Wie früher…« Mit den Fingerspitzen strich Maria über sein kurzgeschnittenes Bürstenhaar hin und her. » …nur grauer.«
    Die Partitur lag zugeschlagen vor ihm auf dem Pult. Wie immer dirigierte Herzog die Probe auswendig. Bruckners Achte Symphonie in c-Moll, 3. Satz, Adagio, feierlich langsam, doch nicht schleppend, wie der Meister es in der Originalpartitur von 1887 vorgeschrieben hatte. Takt 10 vor A. Einsatz der Klarinetten und Fagotte. Kommen einen Augenblick zu spät! Aber er wollte noch nicht abklopfen. Vielleicht hatte er sich ja geirrt. Manchmal konnte er einzelne Instrumente kaum noch heraushören. Der hohe geradlinige Pfeifton von 5500 Hertz beeinträchtigte sein Gehör. Beethoven hatte darunter gelitten und Furtwängler auch. Van Gogh soll sich deshalb das Ohr abgeschnitten haben, und Smetana hat ihn in seinem Streichquartett e-Moll als viergestrichenes E komponiert. Tinnitus, krankhafte Störung der inneren Harmonie, sagten die Ärzte. Sie hatten keine Ahnung, wovon sie sprachen!
    Nur gut, daß keiner ahnte, daß er auf dem rechten Ohr fast taub war. Kaum auszudenken, wenn es herauskäme. Er würde sein Charisma verlieren, und die Magie seines Zauberstabs wäre hin. Jeder Einzelne muß sich auf seine Kompetenz, sein Gehör, und seine Zeichen verlassen können. Dazu war er da, und dafür haben ihm diese einhundertzwanzig Profis das Mandat verliehen, sie zu führen. » Während des Konzerts besteht die Welt nur aus Musik. Und so lange ist der Dirigent der Herrscher dieser Welt«, sagt Elias Canetti. Das ist das ganze Geheimnis. Das Orchester muß spielen, wie der Dirigent es befiehlt. Dirigieren ist Macht, zur Schau gestellte Macht. Nur entfesselt der Dirigent keinen Krieg, allenfalls ein Crescendo. Ein kluger Kopf, der wußte, wovon er sprach, obwohl er nie ein Orchester geleitet hatte.
    Piano, Crescendo und gleich wieder Diminuendo. Gas geben, auf die Bremse und wieder Gas, wie ein Rennfahrer in der Parabolika. Das Orchester gehorchte ihm wie eine gut geölte Maschine. Noch hatte er sie im Griff. Er durfte sich nur keine Blöße geben und sie verunsichern. Die Nervosität war diesmal größer als bei einem gewöhnlichen Konzert. Auch die Musiker waren ein Risiko eingegangen, als sie sich für das Satellitenexperiment zu Verfügung gestellt hatten.
    Takt 15, Einsatz der Posaunen. Er gab den Einsatz mit einem Schlag voraus. Pam, papapapapa pam! Zu stark! Er duckte sich, um den Klang zurückzunehmen. Gleich wurden sie leiser. So war es besser. Takt 25, das Harfenarpeggio, über vier Oktaven hinweg, Forte, dann abschwächend Diminuendo. Bruckner hatte behauptet, er habe, als er diese Stelle komponierte, einem schönen Mädchen in die Augen geblickt. Ein-, zweimal– die kleine Japanerin, mit welcher Zärtlichkeit sie sich ihrer Harfe hingibt, als hielte sie
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