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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
Autoren: Bernhard Hoëcker
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See entlang, immer schön auf dem asphaltierten Weg, verlaufen war unmöglich. So hatte ich mir das vorgestellt! Dann waren wir da. Diesmal standen wir an einer Kreuzung, rechts ein Trampelpfad zum See, links ging es Richtung Zivilisation. Dazu ein Durchfahrtverbotsschild, ein Zaun und sehr viel Gebüsch. Das war alles, was uns zur Verfügung stand.
    Wieder fingen wir an zu suchen. Wonach, wissen wir bis heute nicht. Wenn ich die Aktion nun als erfolglos bezeichne, so beschreibt das nicht annähernd das, als was wir sie letztendlich empfanden. Wir waren enttäuscht, ja gedemütigt. Wir suchten überall: auf dem Weg, an dem Schild. Ich schlug mich sogar in die Büsche, woraufhin die Büsche ihre Stacheln 15 in meinen Körper schlugen. Alles erfolglos. Jedes Mal, wenn irgendwelche vereinzelten Spaziergänger oder Jogger vorbeikamen, taten wir natürlich so, als würden wir nur kurz warten, uns die Schuhe zubinden oder etwas in den Taschen suchen.
    Irgendwann liefen wir frustriert zurück zum Auto und waren uns hundertprozentig sicher, dass die Sache nicht mit rechten Dingen zuging. Da fehlte irgendwas, es konnte unmöglich an uns liegen. Wir hatten so viel Erfahrung, denn auch wenn das unser erster Cache war, oder besser NICHT war, hatten wir doch immerhin die erste Station gemeistert.
    Nichtsdestotrotz – wir ließen uns nicht unterkriegen. Der Reiz, zu suchen und irgendwann doch einmal zu finden, war einfach zu groß. Es hatte uns gepackt. Wie die Strömung, die einen langsam vom Land ins Meer zieht, wie der Treibsand, der einen unaufhaltsam in die Tiefe zerrt 16 , so hatte uns das Cacherfieber ergriffen. Außerdem wollten wir nicht ohne jeden Erfolg zu unseren Zelten zurückkehren.
    Wieder im Auto, kramten wir sofort die anderen Cachebeschreibungenheraus. Irgendwas musste sich doch finden lassen. Hier, der klang gut. Angeblich auch für Kinder geeignet, das war genau das Richtige für uns. Wir machten uns also direkt auf zum nächsten Cache. «Moylands letztes Schlossgespenst» lag in einem Wald, der direkt an einen größeren Schlosspark angrenzte. Auf befestigten Wegen sollte auch dieser Cache leicht zu Fuß erreichbar sein. Es waren gerade mal zwei Stationen, das war eindeutig zu schaffen. Allerdings bestand die erste gleich aus einer ganz besonderen Aufgabe: Peilung.
    «Bist du sicher, dass wir das tun sollten?», fragte ich Micha.
    «Warum denn nicht?»
    «Wir haben schon die einfachen Aufgaben nicht geschafft und jetzt eine schwere?»
    «Die Aufgabe ist nicht schwer, sondern kinderleicht. Das geht so: Stell dich als Erstes an einen bestimmten Punkt. Entweder an die angegebenen Koordinaten oder, was viel netter von den Cachelegern ist, an eine beschriebene oder gar fotografierte Stelle, und gehe von dort aus 100   Meter in Richtung 127   Grad. Das klingt zwar sehr kompliziert, aber ich kann dir dabei helfen. Hat man ein Gerät mit Karte, geht es relativ einfach. Man muss das Fadenkreuz mit Hilfe eines Joysticks 17 (hat man nasse Hände oder Handschuhe an, verwandelt sich das Wort «joy» allerdings sofort in «fuck») über das Display bewegen. Dann muss man bloß die Gradabweichung und die Entfernung beobachten und so lange weitermachen, bis alle Zahlen genau so aussehen wie die auf der Cachebeschreibung. Fehlt einem die Karte, dann, ja dann   … habe ich auch keine Ahnung, wie das klappen soll», erklärte Micha.
    «Was hast du gesagt?», erwiderte ich.
    Stille kam von Micha.
    Stille kam von mir.
    Er griff wieder zu Zettel und Stift und fing an zu zeichnen.
    «Also, wir befinden uns hier auf dem Kreuz, Norden ist oben. 127   Grad gibt die Richtung an, das ist in etwa nach schräg unten. Wenn wir jetzt das Gerät so drehen, dass der Pfeil genau auf 127   Grad zeigt, und wir der Linie 100   Meter folgen, müssten wir genau da ankommen, wo wir hinwollen.»
    Jetzt verstand ich. Behauptete ich zumindest.
    Ob ich da hinwollte, war mir noch nicht ganz klar, und auch nicht, wie wir auf gerader Linie an diese Stelle gelangen sollten, wenn da ein umzäuntes Gelände und ein stehendes Gewässer im Weg waren. Schließlich war da ein Schloss, und das war eingesperrt, von einem Wassergraben, einer Mauer und einem Zaun, über den ich definitiv NICHT klettern wollte. Sonnenklar war mir dagegen, dass ich es für eine Unverschämtheit von Micha hielt, mir hier kleine Kinderzeichnungen vorzulegen, als ob ich total bescheuert wäre. Das hätte er mir auch so erklären können.Und dann dieser alberne Baum, wirklich! Gut,
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