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Auf ein prima Klimakterium

Auf ein prima Klimakterium

Titel: Auf ein prima Klimakterium
Autoren: Marianne Saegebrecht
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Haus verzinst und gesichert. Nach einer Zwangsversteigerung, verursacht durch anliegende, hohe bauliche Auflagenkosten, die Lea und ich wohl vergessen hatten offenzulegen, wenn du weißt, was ich meine, hatte Eric schon nach einem Jahr Adieu zu seinem geliebten Refugium zu sagen. Heute gehört das Haus mir, für Vierzigtausend wieder an Land gezogen! Tja, Leas Einlage schrie förmlich nach Gymnastik! Game gecheckt, Alter? Hier hast du meine Karte, just in case«, überstrapaziert die notorische Blechstimme seit Minuten die Nervenstränge seines stummen Gegenübers. Mein Hustenanfall, den die Wut über das Gehörte nach oben zu befördern versucht, bekommt Auftrittsverbot, mein Herz sendet ein Bündel gute Gedanken an poor Eric.
    »Der ärgste Fluch des Menschen ist das Geld, das sagte schon der gute alte Sophokles, du Schweinebacke«, hefte ich dem zynischen Mister Monetas stumm an sein Revers. Sein Partner ist wohl nicht gewillt, aus offengelegter List und Tücke einen Nutzen zu ziehen, besteht dafür mit grimmiger Miene auf dem Heimweg.
    Mein Auge entdeckt auf männlicher Brust ein um Eindruck ringendes Teleobjektiv. Schon tauche ich auf leisen Sohlen in das Schattenlicht meiner Linde ab. »Vielleicht zwei Vertreter der pulsierenden Immobilienbranche auf Streifzug durch die begehrte Südregion unseres Landes, um erwerbbare Gefilde aufzustöbern und ›one after the other‹ amoralisch einzutüten«, rumpelt es in meinem Kopf. Wieder eingekehrt in meine heimeligen vier Wände, nimmt mein aufgezogenes Stimmungstief vor meinem wirbelndem Mixer Reißaus. Aus saftigen Birnen, Limetten, Kokosmilch, einem Schuss feinstem Kokoslikör, frischen Kokosraspeln, einer Prise Chili, einer Prise Zimt beschert er einer Dame im Wechselbad der Jahreszeiten einen sinnbetörenden Longdrink, der locker einem verunglückten Quickie aus meinen Tagebuchnotizen der Siebzigerjahre die Stirne bieten könnte.

    Meine Vertraute, Surinam Sehnsucht, deren sechzigjährigen Geburtstag wir noch gemeinsam im Spätherbst dieses Jahres im surinamischen Regenwald zelebrieren werden, psst, bleibt unter uns, nimmt flugs mit auf meinem gemütlichen Sofa Platz.
    Eine geruhsame Meditation erweckt süße Düfte von blühenden tropischen Blumen aus tiefen Urgründen. Satte türkisblaue Farben schweben durch den Raum, Trommelwirbel verbrüdern sich mit dem Geräusch von brechenden Wellen. Ein Konglomerat von Antlitzen aus den Regionen der ganzen Welt reitet auf gischenden Wasserfontänen. Selbst mein in die ewigen Jagdgründe eingegangenes Kapuzineräffchen Pixie schwingt sich von Liane zu Liane durch den Raum. Wohltuende Wärme breitet sich in meinem Herzen aus.
    »Ich komm aus Surinam, Mama, aus Surinam«, schlängelt sich die Stimme der siebenjährigen Marianne melodisch zur Hängelampe hinauf und landet zielsicher in Mutters warmem Schoß. »Ich weiß, ich weiß, von so weit bist du zu mir geflogen. Du bist so anders als die anderen Kinder, ich hab dich lieb, mein kleiner Wildfang«, gleitet eine unvergessliche Stimme zärtlich über mein Haar.
    Mein Sehnsuchtsland Surinam, eine ehemalige holländische Kolonie in Guyana, ist Kulturerbe geworden. Eine weitere Ausbeutung des Regenwaldes ist dort damit passé, eine Versklavung der Bevölkerung schon seit dem 18. Jahrhundert abgeschafft. Da schnappen eure gierigen Rachen jetzt wohl kalt, ihr globalen Häscher, braust mir durch den Sinn. ›Landgrabbing‹ nennt man euer Gebaren. Der brasilianische Regenwald wird nicht geschützt. Ihr holzt rigoros ab, gefährdet die Artenvielfalt der Tierwelt und ihr ruiniert die biologische Balance des globalen Wasserhaushalts. Ihr kauft weltweit freie Areale zu Billigpreisen, hortet diese hinterhältig oder gebt sie dem Zuckerrohranbau zur Benzingewinnung anheim. Ein Großteil der gesamten Weizenernte wird an der Weltbörse als Spekulationsanlage verschachert. Lebenserhaltende Nahrungsmittel über Börsenhaie in den Handel transferiert! Geht vom Acker, ihr ackernden Männer, meine aufgebrachten Gedanken kommen nicht zur Ruhe. Unsere europäische Hähnchenbrust-Obsession verstößt das auflaufende Hühnerklein, um es per Luftfracht tonnenweise den afrikanischen Märkten unterzujubeln und dort für einen Schnäppchenpreis zu veräußern. Das einheimische, gut genährte Huhn kann da preislich nicht mehr mithalten …
    Ein kräftiger letzter Schluck meines schon eingenickten Drinks versucht erfolglos all die Gedanken zu übertönen. Aua, da zwickt’s am großen Zeh! Kater
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