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Auf ein prima Klimakterium

Auf ein prima Klimakterium

Titel: Auf ein prima Klimakterium
Autoren: Marianne Saegebrecht
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der Schlange, warten auf die ihnen zugeteilte Ration. Die Stimmung ist aufgeheizt und droht jeden Moment zu kippen, denn Bastet nimmt ihren Auftrag, die diesjährige Ernte zu bewachen, beim Wort. Geheimnisvolle, grüne Augen und ein sprungbereiter, sehniger Körper, von der Größe eines Panthers, halten die Menschen noch in Schach. »Hunger«, ritzt ein schmalgesichtiger Junge mit einem kleinen Kieselstein in die bröckelnde Mauer. »Hunger«, schallt es im Chorus über den eingestaubten, ausladenden Vorplatz.
    Unter die Rufenden hat sich auch Mutter Agnes mit ihrer kleinen Marianne auf dem Arm in die fordernde Gruppe eingereiht. »Ich verlange Getreide für zwei Kinder und eine erwachsene Person«, ruft sie vehement über die Köpfe der Menschenmasse hinweg.
    »Die Mäuse-Diebesbande sollst du in Schach halten, nicht uns Menschen, wir müssen unsere armen hungrigen Mägen stopfen«, wendet sich nun Marianne tapfer an die ehrfurchtsgebietende Kreatur und versucht, indem sie ihr einen duftenden Katzenminze-Strauß anbietet, Bewegung in die königliche Miene der unnahbaren Wachhabenden zu bringen, was auch gelingt. Mit geschlossenen Augen umgurrt Bastet die duftende Minze, während die ausgehungerte Menge die Kornkammern stürmt. Die Füße der Hastenden übertrampeln die kleine Marianne, die zusammengerollt wie ein Igel nach ihrer verloren gegangenen Mutter ruft. Plötzlich löst sich die Katzengöttin fauchend auf und verwandelt sich in eine funkensprühende Feuerfontäne, vor der sich die Menschen ehrerbietig auf den Boden werfen.
    »Mama, Mama, ich bin doch hier!« Die Klagelaute eines Kindes vermischen sich mit dem Wasserrauschen einer morgendlichen Dusche, die, von lang gezogenen Miau-Tönen unterwandert, verspätet auf verschlafene Knautschzonen herunterregnet. Mit einem kalten Schauer versuche ich nun meinem Körper zu einem rechtmäßigen Tageseinstand zu verhelfen und die Tempelkatze meiner Traumsequenz samt hungriger Meute in die Schranken zu weisen.
    Als Vorstand meiner Katzensippe fordert Kater Charly, der Stubenälteste, für sich und seine Artgenossen die rituelle Morgenfütterung ein, die mir heute sehr spätfristig aus dem Ruder gelaufen ist. »Lasse die Fütterung immer im gleichen Zeitturnus stattfinden und beraume am frühen Abend eine Spielstunde ein, um die verrückten fünf Minuten der anstehenden Jagdzeit abzufangen. Die innere biologische Uhr der Miezen wird sich einpegeln und sie werden es dir durch Ausgeglichenheit danken«, schwingt sich die Stimme meiner Mutter durch den dampfenden Raum.
    In deinen letzten Lebenswochen legtest du mir ans Herz, für deinen geliebten Tigerkater Charly, den du in einer Abfalltonne gefunden hattest, nach deinem Ableben Sorge zu tragen. Das hätte gar keiner Worte bedurft. Charly zählt heute schon fast zwanzig Lenze, sein Gehör ist in bester Verfassung, Treppen steigt er elegant wie ein alter Balletttänzer. Weißt du, vor fünf Jahren hat er total relaxed den Chefsessel der Sippe dem imposanten, schwarzen Burma-Kater Samson, meinem erstgeborenen Herzbuben, überlassen. Den würdest du lieben, Mama.

    Der Duft frisch gemahlener, brasilianischer Kaffeebohnen, der sich um meine Nase kräuselt, lockt mich in die Küche. Jahrelang war Muttern morgens die Erste am Küchenherd, um das Frühstück anzukurbeln. Der Kaffeeduft drang aufmunternd durch die Türritze meines Zimmers und schon sprang es sich federleicht aus dem Kuschelbett, um bei einem leckeren Frühstück zusammen den Tag anzugehen. Im Hier und Heute fungiert der musikalische Weckdienst meines Handys. Kaffeemaschine angefeuert, Tierfamilie mit schmackhaftem Futter beglückt, hinaus in den Garten, kehren, schippen, zupfen und schneiden, um die schlaftrunkenen Lungen kostengünstig mit Ozon aufzutanken. Mein sich noch gut in Schuss befindlicher Bizeps und mein guter, alter Spaten haben sich heute schon vor dem Duschritual ein großes Lob verdient, doch diese Honorierung lässt immer noch auf sich warten. Ein schmackhaftes Käseomelette, veredelt mit Minze und Majoran aus den Töpfen meiner Fensterbank, vermengt mit dem bitteren Salz eines versiegten Tränenflusses, vermag heute nicht zu punkten.
    »Wenn du am Morgen erwachst, denke darüber nach, was für ein köstlicher Schatz es doch ist zu leben, zu atmen und sich freuen zu können.« Dieser Ausspruch von Marc Aurel vervollkommnet die Tagespräsenz meines Kalenderblatts, bei mir will heute die angepriesene demütige Freude so gar nicht aufkeimen, obwohl
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