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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
Autoren: Peter Westrup
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sie mit zwei Kindern.
    Es wird eine schlichte Messe gefeiert, ich bin der einzige Ausländer unter all den einfachen Menschen vom Lande mit ihren gebeugten Köpfen, die Ministranten sind zwei Kinder, die eifrig und engagiert bei der Sache sind. Wir singen auf Spanisch das unvergeßliche Bob Dylan Lied:

    „How many roads must a man walk down,
      before he is called a man .....
    The answer, my friend, is blowin‘ in the wind,
      the answer is blowin‘ in the wind.“

    Die beiden schüchternen Mädchen neben mir versuchen mir etwas zu sagen, was ich nicht verstehe. Es muß wohl Galicisch sein. Dann schreibt eine von beiden es in mein Notizbüchlein: „Ke guapo eres como se di“. Ich verstehe es aber immer noch nicht. Alle gehen zur Kommunion, ich heute nicht, ich war ja gestern in Santiago.
    Draußen vor der Kirche liege ich lange auf den glatt geschliffenen Felsen und blicke auf das sanfte Meer hinaus. Die Sonne kommt durch und streichelt mich mit warmen Strahlen. Ich habe nun das Ende erreicht, weiter geht es nicht mehr. Meine Reise ist zu Ende. Ich beobachte eine spanische Gruppe, die ausgelassen über die Felsen turnt. Einer wölbt sich aus dem Sand empor und bildet einen flachen Bogen. Durch diesen krauchen die Weiblein kichernd auf allen Vieren, gekrümmt unter dem steinernen Fels, und werden mit Gelächter und Applaus begrüßt nach dieser Verrenkung. Das muß wohl ein alter Brauch sein vor der Señora de la Barca, bestimmt bringt er Glück und Segen und Gesundheit, vielleicht gelenkige Glieder.
    Beim Rückweg über die Felsen hoch über dem Meer, den ich wieder nur unter Schmerzen bewältigen kann, kommt mir ein Gedanke: nicht das Böse hat mich bekämpft. Es war alles falsch, was ich dachte. Santiago, der ja als Heiliger nicht mit mir sprechen kann, will mir die ganze Zeit sagen, daß ich einen Fehler gemacht habe, daß ich mich und meine Kräfte überschätzt habe. Daß ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, an dem ich mich übernommen habe und letztlich gescheitert bin. Demut will er mir zeigen und Erkenntnis meiner Grenzen. Nicht mehr 1000 Kilometer soll ich in Zukunft laufen, sondern nur noch die Hälfte. Auf einmal wird mir alles klar, die Schmerzen sind die Botschaft des Heiligen, die ich die ganze Zeit überhört habe, weil ich so auf die Zeichen des Bösen fixiert war. Im letzten Jahr geschah mir das Gleiche, da stürzte ich gleich hinter Bilbao am ersten Tag auf ebener Straße und brauchte lange, bis ich erkannte, warum. Auch da wollte mir der Heilige etwas sagen: ich solle nicht immer in die Luft gucken, nicht immer die Häuser bewundern mit meiner Kamera, nicht über das weite Land schweifen mit meinen neugierigen Augen und dabei vergessen, auf den Boden zu schauen, mich auf den Weg zu konzentrieren und sachte und aufmerksam gehen. Ich bin ein Wurm und kein Falke. Damals verstand ich die Botschaft, eine Woche lang taten mir meine Knochen weh, aber von da ab lief ich aufmerksam und konzentriert auf meinem Weg. So, jetzt geht es mir besser!
    Im eleganten Restaurant zurück am Hafen tue ich mir etwas Gutes an und esse zur Belonung einige schöne Gerichte: Mejillones – Miesmuscheln – in schöner, scharfer Soße und fünf Cigalos – Flußkrebse – mit Mayonaise. Dazu eine Flasche frischen, kühlen Ribeiro. Nirgends ißt man das Meeresgetier so frisch und köstlich wie an der galicischen Küste. Ich weiß schon, warum Galicien mein Traumland geworden ist. Fröhliche Familien mit Kindern sind jetzt zum Mittagessen eingekehrt und tafeln, was die vollen Tische hergeben und das Meer anbietet. Der Ort hat sich gewandelt. Draußen scheint warm die Sonne von einem blauen Himmel. Galicisches Wetter: morgens der graue, zähe Nebel und mittags die lachende Sonne. Ich setze mich vor das Restaurant in die warme Sonne, vor mir das Meer mit den dümpelnden Booten, das Kreischen der Möwen über mir. Ich beschließe das köstliche Essen mit einem großen Glas Brandy und meiner geschenkten Davidoff von gestern. Neben mir sitzt ein Österreicher aus Wien, der mir vom Jakobsweg erzählt. Auch er ein Pilger, der hierher gelaufen ist. Der Himmel ist blau, die Sonne wärmt, wenn ich nicht laufen muß, ist das Leben schön. Während ich noch einmal mit meiner Frau telefoniere, ist der Österreicher auf einmal verschwunden, ohne Abschied.

Patricia

    Montag, der 26. Juni, von Santiago de Compostela
    nach Fisterra
    45. Reisetag

    Ich verabschiede mich von Santiago. Diesmal habe ich mich dort nicht so wohl
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