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Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Titel: Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
Autoren: Loki Schmidt
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protokollgerechtes Verhalten geachtet.
    So wie heute bei Empfängen, dass da auch mal ein Mann ohne Schlips erscheint, das wäre damals undenkbar gewesen.
    Nach der Hamburger Sturmflut vom 16./17. Februar 1962 war Helmut Schmidt plötzlich bundesweit politisch ein Begriff. Auf einmal hatten Sie einen »Helden« in der Familie. Wie hat sich das auf Ihre Freunde und Ihre persönliche Umgebung ausgewirkt?
    Heute wäre das natürlich eine große Geschichte, und die Medien überschlügen sich. Damals hat man wegen Helmuts Leistung bei der Bewältigung der Sturmflut noch nicht so viel Theater gemacht. Außerdem ist es doch selbstverständlich, dass jemand auf seinem Platz das leistet, was er leisten kann. Helmut kam sicher zugute, dass er als ausgewiesener Sicherheitspolitiker und Reserveoffizier gute Verbindungen zum Militär und zur Nato hatte. Als er den ihm bekannten Offizieren, wie dem Oberkommandierenden der Nato, Lauris Norstad, und dem deutschen Admiral Bernhard Rogge, klargemacht hatte, dass wir in Hamburg Hilfe, Soldaten, Hubschrauber, Sturmboote brauchten, haben die sofort reagiert. Dass die ihn ernst genommen haben, weil sie ihn kannten und wussten, dass er keinen Quatsch redet, war ein großes Glück.
    Dass Helmut sich dann über manches hinweggesetzt hat, um schnell zu helfen, ist selbstverständlich. Er hat sich weder nach irgendwelchen Hamburger Gesetzen noch nach hierarchischen Regeln gerichtet, sondern das getan, was er für richtig hielt. Das war vielleicht ein bisschen mehr, als jemand anders getan hätte … Ich glaube, eine große Rolle spielte, dass er sich sofort seine Verbindungen zum Militär durch den Kopf hat gehen lassen, andernfalls hätte er die ausländischen Soldaten und Hubschrauber nicht hierher bekommen. Er hatte viele Verbindungen bei einer Wehrübung in den fünfziger Jahren geknüpft, für die er seinerzeit von seinen Genossen hart kritisiert worden war. Aber sie hat sich in dieser Situation bezahlt gemacht.
    Und er konnte gut organisieren und war entschlussfreudig.
    Das waren die beiden Eigenschaften, die geholfen haben.
    Mussten Sie in diesem Zusammenhang auch Interviews geben?
    Die Presse spielte längst nicht die Rolle, die sie heute spielt. Und mich haben sie in Ruhe gelassen. Aber noch ein Nachklang zur Sturmflut: Ich hatte zu jener Zeit einen Fensterputzer. Der kam immer sonntagmorgens, auch ein paar Tage nach der Sturmflut. Die Fensterscheibe, die nach Süden ging, war verkrustet. Man konnte das nur abkratzen – das war Salzkruste. Der Sturm muss so heftig gewesen sein, dass Salzwasser an meine Scheibe gekommen ist. Es gab auch plötzlich Vögel hier, die sonst weit weg zu Hause waren.
    Was hat der Rummel nach der Sturmflut für Ihre Tochter Susanne bedeutet?
    Sie hat nicht viel dazu gesagt und ist auch in der Schule nicht auf die Rolle ihres Vaters bei der Bewältigung der Katastrophe angesprochen worden.
    Vier Jahre nach der Sturmflut haben Sie 1966 gemeinsam mit Ihrem Mann, Ihrer Tochter und einem Referenten in einem Opel Rekord eine Tour durch den Ostblock unternommen, die heute sehr abenteuerlich anmutet.
    Willy Brandt hatte Helmut zu dieser Reise ermuntert, weil die Beziehungen zum Ostblock immer noch stark unterkühltwaren und er sich von Helmuts Tour neue Einsichten und Kontakte versprach. Zur Vorbereitung haben Susanne und ich hier zu Hause Privatstunden in Russisch genommen. Helmut hat sich drauf verlassen, dass wir dort Frühstück und Abendessen bestellen und nach dem Weg fragen konnten. Wir waren übrigens nicht nur in Russland – damals Sowjetunion –, sondern auch in der Tschechoslowakei und in Polen. Am interessantesten aber war natürlich Russland. Wir waren sehr beeindruckt, wie freundlich uns die Menschen auf der Fahrt begegneten. Ausländische Touristen waren damals auf dem Land natürlich eine Sensation. An den offiziellen Reiseplan, der uns vom Moskauer Tourismusbüro vorgegeben worden war, haben wir uns nicht immer gehalten. Wir sind auch gelegentlich in die ärmlichen Schänken am Wege eingekehrt. Wenn Susanne und ich nach der Toilette fragten, haben sie uns gesagt: »Dahinten …«, und wir landeten dann meist auf einem Donnerbalken im Wald.
    In Moskau und Leningrad hat Helmut politische Gespräche geführt und war mit den Ergebnissen ganz zufrieden; es gab damals nicht so häufig Gelegenheit, mit Politikern der Sowjetunion zu reden, deshalb waren Helmuts neue Kontakte wichtig. Susanne und ich haben uns die Städte angesehen und sind mit
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