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Ash

Ash

Titel: Ash
Autoren: Alexa Kim
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Küchenschrank. Ich schreie auf, als mein Rücken gegen den Kunststoff knallt.
    Sid atmet schwer. „Du weißt doch, dass du mich nicht reizen darfst, wenn ...“ Er schweigt, weil er den Satz nicht zu Ende bringen will.
    „Wenn du auf Entzug bist?“, antworte ich für ihn. „Sid … wir haben keinen Sol mehr. Wir fliegen aus dem Apartment. Ich muss was tun.“ Vielleicht ist es nicht die beste Gelegenheit, bei ihm wegen Ash vorzuhorchen. Wir haben unzählige Abende diskutiert und uns gestritten. „Ich verbiete es dir … als dein Bruder!“
    Ich beiße mir auf die Unterlippe. Wenn Sid wüsste, dass schon alles im Gange ist, würde er ausrasten. Er ist fünf Jahre jünger als ich und alles, was ich an Familie habe. Deshalb hänge ich so an ihm, obwohl er mir das Leben zur Hölle macht. Unsere Eltern sind bei einem Unfall gestorben, als ich Fünfzehn war. Jetzt bin ich Fünfundzwanzig. Von einem behüteten Leben waren Sid und ich damals in die Haltlosigkeit gestürzt. Ich habe mich immer bemüht, Sid Mutter und Vater zu ersetzen. Aber Sid ist trotzdem ein Blutjunkie geworden.
    „Ich will nicht, dass das aus dir wird, was aus mir geworden ist.“
    „Dann sieh zu, dass du clean wirst und hilf mir endlich.“ Ich strecke meine Hand aus. „Sid … bitte!“ Den Job bei den Magnatec habe ich durch die Forschungsabteilung bekommen, für die meine Eltern gearbeitet haben. Schon mit Fünfzehn musste ich lernen, erwachsen zu werden. Es hat mich nie gestört, für Sid und mich zu sorgen. Aber mir wächst einfach alles über den Kopf. Ash lässt sich Zeit mit dem Vertrag, und drängen will und kann ich ihn nicht. Ich muss also noch eine Weile durchhalten. Wenn Sid nur endlich einsehen würde, dass es so nicht weitergehen kann.
    Das Apartment, in dem wir wohnen, liegt im schlechtesten Viertel Daytowns in der zehnten Etage eines uralten Wohnblocks. Bisher habe ich Ash von hier fernhalten können. Ich möchte nicht, dass er mich in all diesem Müll sieht.
    Demonstrativ öffne ich den Schrank mit unseren Notreserven und zähle vier Dosen mit Sojabohnen, fünf Teebeutel und eine Tüte Sojamehl. Mein Magen knurrt, aber ich verbiete mir, eine der Dosen anzurühren. Etwas anderes als Sojaprodukte können wir uns nicht leisten. Die wenigen Agrarstationen werfen wenig ab – und Soja ist das Einzige, was mit wenig Energieaufwand in größeren Mengen angebaut werden kann. Sogar der Tee ist aus Sojabohnen. „Schau, Sid … das ist alles, was wir noch haben.“
    Er weicht meinem Blick aus, sagt aber nichts.
    Ich muss einfach das Letzte verkaufen ... mich selbst! An Ash … auch wenn ich mich ihm liebend gerne schenken würde. Doch alles andere habe ich längst verkauft. Zuletzt sogar den Schmuck, der unserer Mutter gehört hat. Nur von einem einzigen Gegenstand habe ich mich nicht trennen können – von einem kleinen Brieföffner. Er hat meinem Vater gehört, und ich erinnere mich daran, wie er Briefe damit geöffnet hat. Kleine blaue Umschläge. Ich habe nie erfahren, von wem die Nachrichten waren. Normalerweise lief die Post meines Vaters über den internen E-Mail-Verkehr von Magnatec. Energie war damals noch nicht so knapp wie heute. In den letzten Jahren ist die Energiesituation in Daytown so schlimm geworden, dass sie kaum noch zu ertragen ist.
    „Ich werde mich für einen Blutvertrag anbieten.“
    Sid sieht mich mit verletztem Stolz an. „Wir besprechen das heute Abend, Taya.“
    Dann springt er auf, greift sich seine abgewetzte Armeejacke, die er in einem alten Lagerhaus gefunden hat, und flüchtet aus dem Apartment.
    Ich schaue zu, wie die Wohnungstür hinter ihm zuknallt. Soviel dazu!
    Seufzend nehme ich den Brieföffner meines Vaters aus dem Versteck unter den Bodendielen und stecke ihn mir in den Hosenbund. Würde ich ihn nicht verstecken, hätte Sid schon längst versucht, ihn für einen Trip zu verkaufen. Sorgfältig schiebe ich Top und Pullover darüber. Ein Brieföffner kann einen Mutanten nicht töten, ihn aber für kurze Zeit außer Gefecht setzen, sodass ich weglaufen kann ... wenn ich Glück habe.
    Bisher habe ich Glück gehabt, aber sich allein auf sein Glück zu verlassen, wäre naiv. Mein sicherster Schutz ist ein Vertrag und Ashs Zeichen auf meiner Hand. Damit steige ich vom bloßen Futter zum Haustier auf. Als Besitz eines Mutanten habe ich gewisse Privilegien. Schutz, Kleidung, Nahrung. Ich muss Ash heute nach dem Vertrag fragen. Es geht nicht anders.
    Im Treppenhaus leuchte ich mit dem Led-Stab die Ecken
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