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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
Autoren: Adam Nevill
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seiner ersten Nacht in diesem Zimmer von einer Kombination aus Selbstmitleid, dem Gefühl vollkommener Verlassenheit und einer lähmenden Angst erfasst worden war. Aber mehr als das hier konnte er sich nicht leisten, nachdem er mit zwanzig unverkäuflichen Bildern im Gepäck nach London gekommen war. Immerhin, so sagte er sich, würden die nach Süden gehenden Fenster gutes Licht liefern, wenn er hier sein Atelier einrichtete. So wie in alten Zeiten.
    Seth machte die Tür zu und schloss sie ab. Die anderen Mieter betranken sich oft und stürzten dann im dunklen Korridor, und er konnte sich nicht entspannen, wenn die Tür nicht abgeschlossen war. Er warf seine Tasche auf das Bett und schaltete den Wasserkocher ein. Dann machte er ihn wieder aus und öffnete den Kühlschrank, weil er sich erinnerte, dass noch eine Dose aus dem Vierer-Pack übrig sein musste, den er gestern gekauft hatte.
    Er setzte sich auf den Bettrand und starrte die Kartons an, die noch immer in einer Ecke seines Zimmers standen und langsam einstaubten. Darin waren seine ganzen Zeichenutensilien. Die Bilder standen in Plastiktüten verstaut im Kleiderschrank. In den letzten sechs Monaten hatte er gerade mal eine Skizze geschafft, und er fragte sich, ob er schon endgültig aufgegeben hatte oder eines Tages doch wieder mit dem Zeichnen anfangen würde.
    Seth machte sich nicht die Mühe, ein Glas zu holen, und trank direkt aus der Dose. Er überlegte, ob er sich ein Sandwich machen sollte, blieb aber sitzen, weil er viel zu müde war. Noch immer im Mantel, lehnte er sich gegen das Kissen und nippte an seinem kalten Bier. Es wurde Zeit. Morgen würde er anfangen. Und sich überlegen, was als Nächstes zu tun war.
    Er sah auf die Uhr: vier Uhr nachmittags. Um halb sechs musste er zur Arbeit gehen. Ein kurzes Nickerchen würde ihm vielleicht helfen. Er stellte die Dose auf den Boden, drehte sich auf die Seite und schloss die brennenden Augen. Und träumte von einem Ort, an dem er seit seinem elften Lebensjahr nicht mehr gewesen war.
    Die Tor zu der Kammer bestand aus Eisenrohren, die mit dicker schwarzer Farbe angemalt worden waren. Statt Fenster gab es zwei Rundbögen rechts und links der Tür. Auch die waren vergittert. Andere Zugänge zu der Kammer gab es nicht.
    Die hintere Mauer und die Decke, die das kleine rechtwinklige Gemäuer komplett machten, bestanden aus nacktem weißen Stein. Der Boden war mit glatten Marmorplatten gefliest, die sich unter Seths nackten Füßen kalt und hart anfühlten. Wenn er hier drin war, sprang er immer von einem Fuß auf den anderen. Trotzdem liefen die Füße blau an und blieben auch so.
    Die Kammer war nicht größer als fünf Quadratmeter, und es gab keine Dekoration. Auch keine Möbelstücke. Man konnte nirgendwo sitzen. In der Kälte schmerzte sein Rücken, aber der Fußboden war einfach zu kühl, um sich mit nacktem Hintern darauf zu setzen.
    Eine Lampe hing an einer Messingkette von der Decke herab. Sie bestand aus einer Glühbirne in einem eckigen Glaskasten und sah aus wie eine jener Lampen, die früher an Kutschen befestigt gewesen waren. Sie verströmte ein gelbliches Licht, egal, ob es Tag oder Nacht war. Immer wieder versuchte er, seine kalten Hände an dem Glas zu wärmen. Aber jedes Mal, wenn er nach oben fasste, um den Kasten zu berühren, war das Glas kalt.
    Wenn er durch das verschlossene Tor spähte, konnte er einen Laubwald sehen, der dort dicht und wild wucherte. Die Blätter waren dunkelgrün, und der Himmel hing niedrig und grau über den Bäumen. Drei Schritte von der Kammer entfernt begann eine Grasfläche, die sich um das Gemäuer erstreckte. Ein kalter Wind blies durch die Eisenstäbe.
    Seine Welt bestand nur aus ganz wenigen Farben.
    Er war hier drin, weil er es zugelassen hatte, dass man ihn hergeführt und eingesperrt hatte. Mehr wusste er nicht darüber. Davon abgesehen hatte er nur vage Erinnerungen daran, dass seine Familie ihn vor langer Zeit einmal besucht hatte. Seine Mama und sein Papa waren zusammen gekommen. Sein Vater schien sehr unzufrieden mit ihm zu sein, seine Mutter hatte sich Sorgen gemacht, wollte es aber nicht zeigen. Zu einem anderen Zeitpunkt war seine Schwester mit ihrem Mann gekommen. Sie hatten unten vor der Treppe gestanden, und sein Schwager hatte Witze gemacht, um seine Laune aufzubessern. Seth hatte gegrinst, bis sein Gesicht schmerzte. Seine Schwester hatte nur wenig gesagt und schien Angst vor ihm zu haben, so als würde sie ihren eigenen Bruder nicht mehr
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