Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina
Autoren: Lew Tolstoi
Vom Netzwerk:
wußte, daß Ljewin in seine, Stepans, Schwägerin Kitty verliebt war,
    lächelte leise, und seine Augen blitzten lustig.
    »Da hast du nun also deine paar Worte gesagt; ich kann dir aber nicht mit ein paar Worten antworten, weil ...
    Entschuldige einen Augenblick!«
    Ein Sekretär kam herein. Mit einer Art von achtungsvoller Vertraulichkeit und einem gewissen, bei allen
    Sekretären zu findenden bescheidenen Bewußtsein der eigenen Überlegenheit über den Dienstherrn, was
    Geschäftskenntnis anlangt, trat er mit einigen Aktenstücken in der Hand an Oblonski heran und begann, unter der
    Form einer Frage, irgendeine Schwierigkeit auseinanderzusetzen. Stepan Arkadjewitsch hörte ihn nicht bis zu Ende
    an, sondern unterbrach ihn, indem er ihm freundlich die Hand auf den Rockärmel legte.
    »Nein, machen Sie das doch nur so, wie ich gesagt habe«, versetzte er, wobei er den Tadel, der in dieser
    Bemerkung lag, durch ein Lächeln milderte. Dann erklärte er ihm kurz, wie er die Sache auffasse, und schob die
    Papiere mit den Worten zurück: »So also machen Sie es, bitte, so, Sachar Nikitisch.«
    Verlegen entfernte sich der Sekretär. Ljewin, der während der Erörterung mit dem Sekretär seine Befangenheit
    vollständig überwunden hatte, stand mit beiden Händen auf eine Stuhllehne gestützt da, und auf seinem lächelnden
    Gesichte malte sich ein spöttisches Interesse.
    »Mir unbegreiflich, mir unbegreiflich«, sagte er.
    »Was ist dir denn unbegreiflich?« fragte Oblonski, gleichfalls heiter lächelnd, und holte eine Zigarette hervor.
    Er erwartete, daß Ljewin wieder einmal in besonderer Weise losbrechen werde.
    »Es ist mir unbegreiflich, mit welchen Dingen ihr euch da abgebt«, erwiderte Ljewin achselzuckend. »Wie kannst
    du dergleichen nur ernsthaft betreiben!«
    »Wieso?«
    »Nun, weil es eigentlich doch eine Art Müßiggang ist.«
    »Das denkst du so; aber wir sind mit Arbeit überhäuft.«
    »Mit papierener Arbeit. Na ja, dafür hast du ja eine Begabung«, fügte Ljewin hinzu.
    »Das heißt, du meinst, daß es mir anderweitig mangelt?«
    »Kann schon sein«, versetzte Ljewin. »Aber trotzdem bewundere ich deine hervorragenden Eigenschaften und bin
    stolz darauf, einen so großen Mann zum Freunde zu haben. – Aber du hast mir auf meine Frage noch nicht
    geantwortet«, fügte er hinzu und blickte mit verzweifelter Anstrengung dem anderen gerade in die Augen.
    »Na schön, schön! Warte nur, du kommst auch noch einmal auf unseren Standpunkt. Du bist ja gut dran mit deinen
    dreitausend Deßjatinen im Kreise Karasinsk und mit solchen Muskeln und mit solcher Lebensfrische wie ein
    zwölfjähriges Mädchen, – aber auch du wirst noch auf unsere Seite kommen. Ja, also was deine Frage betrifft: es hat
    sich da nichts geändert; aber schade, daß du so lange nicht hier gewesen bist.«
    »Wieso?« fragte Ljewin erschrocken.
    »Nun, es ist nichts Besonderes«, antwortete Oblonski. »Wir sprechen schon noch darüber. Aber zu welchem Zwecke
    bist du denn eigentlich hergekommen?«
    »Ach, darüber können wir ja auch später noch sprechen«, erwiderte Ljewin und wurde wieder rot bis über die
    Ohren.
    »Na schön, gewiß«, versetzte Stepan Arkadjewitsch. »Siehst du, ich würde dich gern zu mir einladen; aber meine
    Frau ist nicht recht wohl. Aber weißt du was? Wenn du die Schtscherbazkischen Damen sehen willst, die sind heute
    höchstwahrscheinlich von vier bis fünf im Zoologischen Garten. Kitty läuft da Schlittschuh. Fahre da hin; ich hole
    dich nachher ab, und wir essen dann zusammen irgendwo zu Mittag.«
    »Ausgezeichnet! Also auf Wiedersehen!«
    »Aber denk auch daran! Daß du es ja nicht etwa vergißt oder wohl gar plötzlich aufs Land zurückfährst! Ich kenne
    dich!« rief Stepan Arkadjewitsch lachend.
    »Nein, nein, du kannst dich auf mich verlassen.«
    Erst als er an der Tür war, fiel es Ljewin ein, daß er ja vergessen hatte, sich von Oblonskis Kollegen zu
    verabschieden; hastig holte er das Versäumte nach und verließ das Zimmer.
    »Wohl ein sehr energischer Herr?« bemerkte Grinjewitsch, als Ljewin hinausgegangen war.
    »Ja, liebster Freund«, antwortete Stepan Arkadjewitsch, den Kopf hin und her wiegend, »das ist ein Glückskind!
    Dreitausend Deßjatinen im Kreise Karasinsk, das ganze Leben noch vor sich, und was für eine Frische! Nicht so wie
    unsereiner!«
    »Sie wollen sich beklagen, Stepan Arkadjewitsch, Sie?«
    »Ja, scheußlich geht es einem, gar zu schlimm!« antwortete Stepan Arkadjewitsch mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher