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Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Titel: Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)
Autoren: Paul Watzlawick
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sobald er eine wählt, ihn zu beschuldigen, sich nicht für die andere entschieden zu haben. In der Kommunikationsforschung ist dieser Mechanismus unter dem Namen Illusion der Alternativen bekannt, und sein einfaches Grundschema ist: Tut er A, hätte er B tun sollen, und tut er B, hätte er A tun sollen. Ein besonders klares Beispiel dafür findet sich in Dan Greenburgs bereits erwähnten Anweisungen an jüdische Mütter [5, S. 16; zu diesem Begriff siehe auch die Fußnote auf S. 15]:
     
»Schenken Sie Ihrem Sohn Marvin zwei Sporthemden. Wenn er zum erstenmal eines der beiden anzieht, blicken Sie ihn traurig an und sagen Sie: ›Das andere gefällt dir nicht?‹«
     
    Doch auch die meisten Jugendlichen sind naturbegabte Spezialisten auf diesem Gebiet und bringen es ohne weiteres fertig, den Spieß umzudrehen. In der Grauzone zwischen Kindheit und Erwachsenenalter stehend, ist es ihnen ein leichtes, von den Eltern jene Anerkennung und jene Freiheiten zu verlangen, die einem jungen Erwachsenen zustehen. Handelt es sich aber um die Pflichten eines Erwachsenen, können sie sich jederzeit hinter dem Hinweis verschanzen, dafür viel zu jung zu sein. Wenn Vater oder Mutter dann zähneknirschend wünschen, kinderlos geblieben zu sein, lassen sie sich mit Leichtigkeit als wahre Rabeneltern hinstellen. Irgendwie ist man an das herrliche Lied des Wiener Kabarettisten Gerhard Bronner vom halbstarken Motorradraser erinnert: »… I håb zwår ka Ahnung, wo i hinfåhr, aber dafür bin i gschwinder durt…«
    Psychiater wie Psychologen sind noch um eine Erklärung verlegen, warum wir alle dazu neigen, dem Mechanismus der Illusion der Alternativen auf den Leim zu gehen, während wir meist keine Schwierigkeit haben, sowohl die eine wie auch die andere Alternative abzulehnen, wenn sie uns einzeln, also getrennt, offeriert werden. Diese Erfahrungstatsache muß man auszunützen lernen, wenn man sich der Komplizierung von Beziehungen widmen will. Hierzu einige einfache Übungen für den Anfänger:
    1. Ersuchen Sie jemanden, Ihnen einen bestimmten Gefallen zu tun. Sobald er darangeht, bitten Sie ihn rasch um eine andere Verrichtung. Da er Ihnen die beiden Gefallen nur hintereinander und nicht gleichzeitig erweisen kann, haben Sie bereits gewonnen: Will er die erste, schon begonnene Verrichtung abschließen, können Sie sich beschweren, daß er Ihre zweite Bitte ignoriert, und umgekehrt. Wird er darob ärgerlich, können Sie gekränkt darauf verweisen, wie launenhaft er in letzter Zeit ist.
    2. Sagen Sie oder tun Sie etwas, was man sowohl ernsthaft wie scherzhaft auffassen kann. Beschuldigen Sie dann Ihren Partner, je nach seiner Reaktion, eine ernsthafte Sache ins Lächerliche ziehen zu wollen oder keinen Sinn für Humor zu haben.
    3. Ersuchen Sie Ihren Partner, diese Seite zu lesen, und zwar mit der Behauptung, daß diese Zeilen genau seine Haltung Ihnen gegenüber beschreiben. Im etwas unwahrscheinlichen Falle, daß er Ihnen recht gibt, hat er ein für allemal seine Manipulationen der Beziehung zu Ihnen eingestanden. Falls er aber – was wesentlich wahrscheinlicher ist – Ihre Behauptung verwirft, haben Sie ebenfalls gewonnen. Sie können ihm nun nämlich beweisen, daß er »es« (mit seiner Ablehnung) gerade wieder tat, indem Sie etwa sagen: »Wenn ich deine Manipulationen schweigend hinnehme, manipulierst du mich noch mehr; wenn ich dich – wie eben – darauf aufmerksam mache, manipulierst du mich, indem du behauptest, mich nicht zu manipulieren. «
    Dies sind nur ein paar einfache Beispiele. Wirklich begabte Unglücksaspiranten können diese Technik zu byzantinischen Verschachtelungen vortreiben, so daß der Partner sich zum Schluß ernsthaft fragt, ob er nicht wirklich verrückt ist. Der Kopf wird ihm jedenfalls schwimmen. Mit dieser Taktik ist nicht nur die eigene Rechtschaffenheit und Normalität bewiesen, sondern auch für ein gerüttelt Maß von Elend gesorgt.
    Nützlich ist auch die Forderung nach einer Stufenleiter von Versicherungen, von denen jede, sobald gegeben, auf der nächsthöheren Stufe sofort in Frage gestellt wird. Meisterhafte Beispiele dafür finden sich in Laings bereits erwähntem Buch Knoten [9]. Dabei spielt das Schlüsselwort wirklich eine entscheidende Rolle. Ebenfalls von ihm stammt das Musterbeispiel:
     
    »Do you love me?«
»Yes.«
»Really?«
»Yes, really!«
»But really really?«
 
    Was darauf folgt, sind vermutlich Urwaldlaute. – Und da wir gerade bei Laing sind, empfiehlt sich die
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