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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang
Autoren: Tom Hodgkinson
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Leben wieder zu einer glücklichen Harmonie zusammenzuführen.
    Denn haben wir nicht immer noch das Gefühl, in eine Falle geraten zu sein? Und fragen wir uns nicht immer noch voller Trauer mit dem Dichter Charles Lamb aus dem neunzehnten Jahrhundert:
    Wer erfand die Arbeit – und kettete den freien
    Und sich des Feiertags erfreuenden Geist
    An die ewig drückende Last
    Der Pflichten auf den grünen Feldern und in der Stadt –
    An Pflug, Webstuhl, Amboss, Schwert – und ach! am [schmerzlichsten
    An diese trockne Plackerei an des Schreibtischs totem Holz?
    (»Work«, 1819)

10 UHR MORGENS
    Liegen bleiben
    Der glücklichste Teil im Leben eines Menschen ist der, den er morgens wach im Bett verbringt.
    Dr. Johnson (1709–1784)
    Es ist morgens 10 Uhr. Nachdem du als erfolgreicher Müßiggänger das schlechte Gewissen überwunden hast, das dir die Uhrzeit »8 Uhr morgens« machen wollte, die von der Zivilisation zum Aufstehen bestimmte Stunde, sowie das »von 9 Uhr morgens« produzierte schlechte Gewissen, der Stunde des Arbeitsbeginns, liegst du jetzt vielleicht im Bett und denkst ans Aufstehen. Tu es nicht! Das Liegenbleiben – womit ich das wache Liegen im Bett meine – ist kein egoistischer Luxus, sondern ein unersetzliches Werkzeug für jeden Studenten der Lebenskunst, der der Müßiggänger in Wahrheit ist. Im Bett zu liegen und nichts zu tun, ist edel und richtig, vergnüglich und produktiv.
    Für den Büromenschen, den Geschäftsmann gibt es nichts Anstößigeres als die Vorstellung, dass potentiell produktive Bürger untätig im Bett liegen und an die Decke starren, während er herumwuselt und etwas »Nützliches« tut, zum Beispiel sich neue Methoden ausdenkt, Popcom unters Volk zu bringen oder Zahlungsaufforderungen für nicht bezahlte Knöllchen zuzustellen. Untätigkeit ist ihm zuwider, er kann sie nicht verstehen, sie macht ihm Angst.
    Um 10 Uhr ist der Müßiggänger wahrscheinlich wach, starrt möglicherweise an die Decke und hat bestimmt keine Eile, in die Senkrechte zu kommen. Noch einmal regieren Ruhe und Frieden; die Arbeitenden sind jetzt an ihren Schreibtischen oder in den Kaufhäusern und Fabriken; es ist ihm gelungen, seinem schlechten Gewissen wegen des Liegenbleibens Widerstand zu leisten, und er ist nun Herr seiner Zeit. Und was wird er tun? Nun, nichts. Gar nichts, außer Betrachtungen anstellen, nachdenken, lesen.
    Werfen wir zur Inspiration einen Blick auf die Meister. John Lennon war einer der großen Müßiggänger der Neuzeit. Für mich verkörpert er das Paradox eines produktiven Nichtstuers, er führte ein Leben nach seinen eigenen Regeln, er neigte zur Faulheit, aber seine Faulheit brachte großartige Songs hervor. Titel wie »I’m Only Sleeping«, »I’m So Tired« und später »Watching the Wheels« zeigen, dass Arbeit um ihrer selbst willen für Lennon keine Tugend war, im Gegenteil, er pries die Faulheit. In einem berühmten, grandiosen Anfall heroischer Untätigkeit lagen Lennon und Yoko Ono 1969 eine Woche lang im Bett und taten absolut nichts – für den Weltfrieden. Und dieser Akt hatte eine enorme Wirkung. Wie Kunst es tun sollte, veränderte er die Perspektive von Millionen. Genauso haben Helden von heute wie etwa Joe Strummer Leben verändert: Indem sie den Menschen neue Möglichkeiten eröffneten, indem sie ihnen zeigten, dass die Obrigkeit nicht unbedingt auf der Seite des Wahren, Guten und Gerechten steht, indem sie zeigten, dass es möglich ist, selber zu denken und sich seine eigene Wirklichkeit zu schaffen. In diesem Sinne erfüllten Lennons Songs und Aktionen auf bewundernswerte Weise Wildes Formulierung vom Sinn und Zweck der Kunst: »[Was die Kunst] zu zerstören sucht, ist die Eintönigkeit des Typischen, die Sklaverei des Hergebrachten, die Tyrannei der Gewohnheit und die Herabwürdigung des Menschen zur Maschine.«
    Durch das Liegenbleiben im Bett erheben wir uns über das Niveau der Maschine. Roboter denken nicht nach; sie machen einfach weiter. T.E.Lawrence sagt: »Der Menschheit haben ihre Plackereien keinen Gewinn gebracht.«
    Wie viel ist also mit Nichtstun zu erreichen? Eines von Sherlock Holmes’ großen Geheimnissen war, Zeit mit Tabak und bequemen Kissen zu verbinden. In seinem Hausrock herumlümmelnd und Pfeife rauchend saß Holmes da und dachte stundenlang über einen komplizierten Fall nach. In der großartigen opiumgesättigten Geschichte »The Man with the Twisted Lip«, löst Holmes in äußerster Behaglichkeit einen weiteren Fall. Und als
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