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Angst

Angst

Titel: Angst
Autoren: Robert Harris
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nicht nach Hause bringen sollen?«
    »Ja, danke. Ich muss mich noch heute Nacht mit meinen Investoren in Verbindung setzen. Besser, wenn sie es nicht aus den Nachrichten erfahren.«
    »Das wird bestimmt eine Riesenstory.«
    »Da können Sie drauf wetten.«
    »Trotzdem, wenn Sie erlauben, würde ich Ihnen den Rat geben, sich nach einem derartigen Trauma ein wenig zu schonen.«
    »Das werde ich, machen Sie sich da keine Sorgen.«
    »Madame Hoffmann hat sich ins Krankenhaus fahren lassen, sie hat einen verzögerten Schock erlitten …«
    »Inspektor, mir geht’s gut, okay?«
    Quarry stützte das Kinn auf die Hand und schaute zum Fenster hinaus, um weiteren Diskussionen vorzubeugen. Leclerc richtete auf der anderen Seite seinen Blick ebenfalls nach draußen. Kaum zu glauben, dass noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen waren, seit er ins Präsidium gefahren war, um eine ganz normale Nachtschicht anzutreten. Man konnte wirklich nie wissen, womit einen das Leben bombardierte. Der Polizeichef hatte von seiner Abendgesellschaft in Zürich angerufen und ihm zur »schnellen Lösung dieser potenziell unangenehmen Situation« gratuliert. Das Finanzministerium sei sehr erfreut, Genfs Ruf als zen traler Finanzplatz bleibe von dieser Verirrung unbeeinträch tigt. Trotzdem hatte Leclerc das unbestimmte Gefühl, dass er versagt hatte, dass er dem Geschehen immer eine oder zwei entscheidende Stunden hinterhergehinkt war. Wenn er bei Tagesanbruch mit Hoffmann ins Krankenhaus gefahren wäre und auf einer eingehenden stationären Untersuchung bestanden hätte, dann wäre das alles nicht passiert. Halb zu sich selbst sagte er: »Ich war auch schon mal besser.«
    Quarry schaute ihn von der Seite an. »Was?«
    »Ich habe gerade gedacht, dass ich das Geschehen heute besser hätte handhaben können. Dann wäre es vielleicht gar nicht zu dieser Tragödie gekommen. Zum Beispiel hätte ich früher erkennen müssen, eigentlich von Anfang an, dass Hoffmann sich in einem fortgeschrittenen Zu stand der Psychose befand.« Er dachte an das Darwin-Buch. Er dachte daran, wie besessen Hoffmann darauf beharrt hatte, dass das Bild von dem Mann ein Hinweis darauf sei, warum man ihn überfallen hatte.
    »Vielleicht«, sagte Quarry, klang dabei aber nicht sehr überzeugt.
    »Oder bei Madame Hoffmanns Ausstellung …«
    »Hören Sie zu, Inspektor«, sagte Quarry ungeduldig. »Sie wollen die Wahrheit wissen? Alex war einfach ein schräger Vogel. War er schon immer. Ich hätte von Anfang an wissen können, auf was ich mich da einlasse, seit dem Abend, als ich ihn kennengelernt habe. Tut mir leid, aber das hat nichts mit Ihnen zu tun.«
    »Trotzdem …«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, mir tut es unendlich leid, dass es so für ihn enden musste. Aber stellen Sie sich das mal vor: Die ganze Zeit über hat er praktisch vor meiner Nase eine ausgewachsene Schattenfirma betrieben. Er hat mich bespitzelt, seine Frau, sogar sich selbst …«
    Leclerc dachte daran, wie oft er von Ehefrauen und Ehemännern, von Liebhabern und Freunden solch ungläubige Aussagen gehört hatte. Er dachte daran, wie wenig man von dem wusste, was im Kopf derer vorging, die man am besten zu kennen glaubte. »Was wird ohne ihn aus der Firma?«, sagte er sanft.
    »Die Firma? Welche Firma? Die Firma ist erledigt.«
    »Verstehe, die Art von Publicity ist wahrscheinlich nicht gerade förderlich …«
    »Ach ja, glauben Sie? ›Schizophrenes Finanzgenie läuft Amok, killt zwei Menschen und fackelt Fabrikhalle ab …‹ So was in der Art?«
    Der Wagen hielt vor dem Bürogebäude des Hedgefonds.
    Quarry legte den Kopf auf die Rückenlehne, betrachtete die Decke des Wagens und stieß einen langen Seufzer aus. »Was für eine Scheiße.«
    »Wie wahr.«
    »Also dann.« Quarry öffnete müde die Wagentür. »Ich nehme an, wir reden dann morgen früh weiter.«
    »Nein, Monsieur«, sagte Leclerc. »Zumindest werden Sie nicht mit mir reden. Der Fall ist einem jungen Beamten übertragen worden – Moynier. Ein sehr effizienter Mann.«
    »Ah, na gut.« Quarry schien irgendwie enttäuscht zu sein. Er schüttelte dem Inspektor die Hand. »Dann erwarte ich den Anruf Ihres Kollegen. Gute Nacht.«
    Quarry stieg aus.
    »Gute Nacht, Monsieur.« Leclerc beugte sich über den Sitz, bevor Quarry die Wagentür schloss. »Ach, übrigens, was ich Sie noch fragen wollte … Diese technischen Probleme, die Sie heute hatten, wie ernst waren die eigentlich?«
    Die Attitüde des Blenders beherrschte Quarry nach wie vor
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