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Angst auf der Autobahn

Angst auf der Autobahn

Titel: Angst auf der Autobahn
Autoren: Stefan Wolf
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Polizisten wie Dennis, die über Spelter
Bescheid wußten und den Mercedes kannten — vor allem das Kennzeichen.
    „Also?“ fragte der Ex-Häftling.
    „Ich möchte nicht daran schuld
sein“, log Willert, „daß der Junge verreckt.“
    „Ich denke, er ist gut
aufgehoben in dem Brunnen.“
    „Machst du Witze? Er könnte
sich erkälten, könnte verdursten, könnte umkommen vor Angst. Vielleicht füllt
sich der Brunnen mit Wasser, wenn es nachher regnet. Dann würde der Junge
ersaufen.“
    „Hm.“
    „Ich möchte ihn herholen. Ich
kann ihn auch hier verstecken.“
    Willert log. Er dachte nicht im
Traum daran. Aber er brauchte einen Vorwand, um Spelter zu dem Einöd-Hof zu
locken.
    „Und wenn die Hausbewohner
plötzlich zurückkommen.“
    „Sie kommen nicht. Ich habe
eine Notiz gefunden. Die bleiben bis zum 10. September in der Karibik.“
    „Da will ich auch mal hin.“
    „Das machen wir zusammen.“
    Spelter schien zu grinsen. Aber
es war inzwischen so dunkel im Zimmer, daß Willert seinen Komplicen nur noch
umrißartig sah.
    „Also gut! Du willst den Bengel
herholen? Wie?“
    „Wir fahren hin.“
    „Mit meinem Wagen?“
    „Warum nicht. Wir nehmen ein
Seil mit. Hier im Keller ist ein langes Wäscheseil. Einer von uns steigt in den
Brunnen runter und holt den Jungen raus.“
    „Ich mache das nicht.“
    „Verlangt ja keiner.“
    „Ich hatte schon Platzangst in
meiner Zelle. Und das 15 Jahre lang. In dem Brunnen würde ich verrecken.“
    „Ich steige runter, Horst. Du
hältst oben das Seil.“
    „Also, von mir aus. Kennst du
den Weg dorthin?“
    „Wir können bis ziemlich in die
Nähe fahren.“
    „Aber nicht heute nacht.“
    „Wie wäre es mit morgen
vormittag“, meinte Willert und lehnte sich grinsend zurück. „Auf dem Weg
dorthin sieht uns kein Aas.“

20. Und noch ein Brunnen
     
    Der Gloria-Palast war etwa zur
Hälfte gefüllt. Der Grusel-Shocker ,Blutiges Wiedersehen’ lief seit zehn
Minuten.
    TKKG saßen in der vorletzten
Reihe. Von links nach rechts in der Anordnung: Karl, Klößchen, Gaby, Tim.
    Auf der Leinwand löste eine
Greueltat die andere ab.
    Drei Drehbuchautoren hatten
miteinander im Wettstreit gelegen, als es darum ging, sich an ausgedachten
Scheußlichkeiten gegenseitig zu überbieten.
    Der Regisseur, stellte Tim
fest, hatte nicht alle Tassen im Schrank! So ein Blödsinn! O Mann! — dann
lieber Kasperltheater. Doch dann wurde Tim nachdenklich.
    Seltsam! Wie in dem Krimi
letzte Nacht. Da und hier — jedesmal war ein ausgetrockneter, tiefer Brunnen im
Spiel.
    Im ,Blutigen Wiedersehen’ war’s
der Brunnen einer bretonischen Burg. Tief unten hauste ein Ungeheuer; und dem
Sympathieträger des Films — diesmal einem etwa 12jährigen Jungen — passierte
es, daß ihn die Neugier, die ihn aus unerfindlichen Gründen antrieb, dort
hinuntersteigen ließ.
    Natürlich landete er in den
Fängen des Ungeheuers — einer Mixtur aus Krake und Riesenspinne. Aber Kevin
hatte sein Taschenmesser mit, das geheimnisvolle Kräfte besaß, und gewann den
blutigen Kampf.
    Und alles, dachte Tim, spielt
unten in einem Brunnen. Himmel, letzte Nacht habe ich schon von einem Brunnen
geträumt. Wenn das so weiter geht, leide ich bald an einer Brunnologie — könnte
eine neue Art von Allergie sein.
    Gaby hatte schon zweimal
gegähnt. Und jetzt wieder. Obwohl auf der Leinwand soeben ein neues Blutbad
entstand.
    Tim hielt die Hand seiner
Freundin. Ihm fiel auf, daß Gabys Jeans-Hosenboden den Sitz polierte.
    Jetzt drehte sie sich um.
    „Hör endlich auf!“ zischte sie
nach hinten.
    Tim schraubte den Kopf herum.
    In der Reihe hinter ihnen, der
letzten also, saßen drei Typen: stämmige Figuren in der Übergangsphase vom
Jüngling zum Mann.
    „Was ist denn?“ fragte Tim.
    „Ach, der tritt dauernd auf
meinen Sitz“, antwortete Gaby verärgert.
    Es waren Klappsitze. Der
hintere Rand ragte hervor. Wer dort draufdrückte, erzeugte eine Hebelwirkung.
Bei genügendem Kraftaufwand wurde der Sitzende hochgelupft.
    Tim wandte sich an den Typ
hinter Gaby.
    „Nicht noch mal, ja! Zieh dir
den Film rein, was dein Spatzengehirn sowieso überfordert. Und laß die Füße am
Boden.“
    „Schnauze, du Pinscher!“ war
die rauhe Antwort.

    Gaby legte ihrem Freund die
Hand auf den Arm. Ihre Kornblumenaugen blickten beschwörend.
    Ihr zuliebe! dachte der
TKKG-Häuptling. Ich bin ruhig und gelassen. Ich lasse mich nicht provozieren.
Dort vorn auf der Leinwand fließt Blut genug. Dies ist ein Kino. Wir sind alle
zum
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