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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame
Autoren: Golon Anne
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Damaszierer, Lautenmacher, Hersteller von wissenschaftlichen Instrumenten, Tapezereienwirker und Buchdrucker lebten dort mit ihren Familien auf Kosten des Königs. Hinter den groben lackierten Holztüren hörte man das Hämmern der Fäustel, das Dröhnen der Schmieden, das Klappern der Webstühle in der auf Hautelisse-Weberei und türkische Teppiche spezialisierten Werkstatt und das dumpfe Stampfen der Druckerpressen.

    Der Maler, von dem Mademoiselle de Montpensier ihr Porträt anfertigen ließ, war ein groß gewachsener Holländer mit rosigem Gesicht, blondem Bart und klaren blauen Augen. Der bescheidene, talentierte Handwerker Van Ossel setzte den Launen der Hofdamen das Bollwerk eines friedliebenden Charakters und mangelnder Französischkenntnisse entgegen. Obwohl die meisten der Großen ihn duzten, wie es im Umgang mit einem Knecht oder einem Arbeiter üblich war, ließ er die Herrschaften ganz nach seiner Pfeife tanzen.
    So hatte er etwa darauf bestanden, Mademoiselle mit einer entblößten Brust abzubilden, und im Grunde hatte er damit nicht unrecht, denn das war der vollkommenste Körperteil, den die robuste Jungfer zu bieten hatte. Wenn dieses Gemälde für einen neuen Verehrer gedacht war, würde die Beredtheit dieses verführerischen runden, weißen Busens die Höhe ihrer Mitgift und den Glanz ihrer Titel aufs Vortrefflichste ergänzen.
    In einen prächtigen dunkelblauen Samtstoff mit kunstvoll drapiertem Faltenwurf gehüllt, überhäuft mit Schmuck und Perlen und eine Rose in der Hand haltend, lächelte Mademoiselle Angélique entgegen.
    Â»Ich bin gleich bei Euch, meine Liebste. Van Ossel, willst du meinem Martyrium wohl endlich ein Ende machen?«
    Der Maler brummte etwas in seinen Bart und platzierte der Form halber noch ein paar zusätzliche Tupfen Licht auf die eine Brust, der er all seine Sorgfalt widmete.
    Â 
    Während eine Kammerzofe Mademoiselle de Montpensier beim Ankleiden half, überließ der Maler seine Pinsel einem kleinen Jungen, der sein Sohn zu sein schien und ihm als Lehrling diente. Aufmerksam musterte er Angélique und ihren Diener Kouassi-Ba. Schließlich zog er seinen Filzhut und verneigte sich tief.
    Â»Wollt Ihr, dass ich Euch male, Madame? Oh, wie schön! Die lichte Frau und der kohlschwarze Mohr. Sonne und Nacht...«

    Lächelnd lehnte Angélique das Angebot ab. Der Zeitpunkt war ungünstig. Aber eines Tages vielleicht …
    Vor ihrem geistigen Auge sah sie das große Gemälde, das sie in einem der Salons ihres Hauses im Pariser Stadtviertel Saint-Paul aufhängen lassen würde, nachdem sie siegreich mit Joffrey de Peyrac dort eingezogen wäre.
    Â 
    Als sie durch die Galerie in Mademoiselles Gemächer zurückkehrten, griff die Prinzessin nach Angéliques Arm und kam auf ihre gewohnt unumwundene Art gleich zur Sache.
    Â»Meine liebe Kleine, ich hatte so sehr gehofft, Euch nach einigen Nachforschungen die gute Nachricht überbringen zu können, dass es sich bei der Verhaftung Eures Gemahls tatsächlich nur um ein Missverständnis handelte, ausgelöst durch einen verbitterten Höfling, der sich beim König in ein gutes Licht rücken wollte, oder durch die Verleumdungen eines rachsüchtigen Bittstellers, der von Monsieur de Peyrac abgewiesen wurde … Aber ich fürchte, die Sache ist etwas verzwickter.«
    Â»Ich flehe Euch an, Hoheit, was habt Ihr herausgefunden?«
    Â»Habt noch ein wenig Geduld, in meinen Räumen sind wir vor neugierigen Ohren sicher.«
    Als sie nebeneinander auf einem bequemen Kanapee saßen, fuhr Mademoiselle fort:
    Â»Um die Wahrheit zu sagen, habe ich nur sehr wenig in Erfahrung gebracht, und wenn man das übliche Hofgeschwätz beiseitelässt, ist es gerade dieser Mangel an Informationen, der mich beunruhigt. Niemand scheint etwas zu wissen, oder alle ziehen es vor, so zu tun, als wüssten sie nichts.«
    Â 
    Nach kurzem Zögern erklärte sie mit gedämpfter Stimme: »Euer Gemahl wird der Hexerei beschuldigt.«
    Um die Prinzessin nicht zu kränken, verschwieg ihr Angélique, dass sie das bereits wusste.

    Â»Das ist nicht weiter schlimm«, fuhr Mademoiselle de Montpensier fort, »und die ganze Angelegenheit hätte mühelos bereinigt werden können, wenn Euer Gemahl einem kirchlichen Gericht überstellt worden wäre, wie es dem Inhalt der Anklage eigentlich entsprochen hätte.
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