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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
Autoren: Alexandra Marinina
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Sie doch gebeten, mich zu duzen«, sagte Nastja vorwurfsvoll und reichte ihm den Becher mit der dunklen, dampfenden Flüssigkeit.
    »Das kommt mit der Zeit. Ich muss mich erst daran gewöhnen. O Gott, wie kann man dieses ekelhafte Zeug nur trinken!«
    Er nahm widerwillig ein paar Schlucke aus dem Becher und verzog sein Gesicht.
    »Das ist sehr guter Kaffee«, bemerkte Nastja, »seltsam, dass er Ihnen nicht schmeckt.«
    »Ich mag keinen Kaffee und trinke nie welchen.«
    »Aber Sie haben mich doch selbst darum gebeten . . .«
    »Nur wegen der Männer in dem Wolga. Falls sie wirklich meinetwegen hier sind.«
    »Ich denke schon. Aber das werden wir ganz leicht herausfinden. Wir gehen jetzt zur S-Bahn und fahren in die Stadt. Bis morgen halten wir uns im Hotel auf, und morgen früh fliegen wir nach Jekaterinburg.«
    »Nach Jekaterinburg? Wozu? Sie wollten mich doch nach Moskau bringen. Oder etwa nicht?«
    »Doch, genau das. Deshalb fliegen wir morgen nach Jekaterinburg. Können Sie den Mann in dem Wolga gut sehen?«
    »Ja, durchaus.«
    »Den Fahrer auch?«
    »Ja, den auch.«
    »Würden Sie die beiden später wieder erkennen?«
    »Ganz sicher.«
    »Dann machen wir uns jetzt auf den Weg. Und ich bitte Sie noch einmal darum, mich zu duzen.«
    »Das kann ich Ihnen nicht versprechen. Ich sehe dazu keine Notwendigkeit.«
    »Ist gut«, stimmte Nastja zu. »Lassen wir alles, wie es ist. Vielleicht ist es sogar besser so.«
    Sie verstaute die Thermoskanne wieder in ihrer Tasche, warf den langen Riemen über die Schulter und erhob sich.
    * * *
    In der S-Bahn suchte Sauljak sich einen Platz in einer Ecke des Abteils, lehnte sich auf der Bank zurück und schloss die Augen.
    »Schlafen Sie?«, fragte Nastja vorsichtig.
    »Nein«, antwortete Pawel, ohne die Augen zu öffnen.
    »Möchten Sie mich nichts fragen?«
    »Nein.«
    »Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
    »Nein.«
    Dann geh zum Teufel, dachte Nastja. Es hat dich nicht im Geringsten erstaunt, dass ich dich angesprochen habe. Du hast sofort verstanden, worum es geht. Also ist alles wahr. Du weißt tatsächlich viel, und du hast Grund, um dein Leben zu fürchten. Ich bin gespannt, wie lange es mir gelingen wird, dich und deine Verfolger an der Nase herumzuführen.
    Sie öffnete ihre Tasche, holte wieder die Thermoskanne heraus und trank genussvoll noch einen Becher Kaffee. Sie hätte jetzt gern eine Zigarette geraucht, aber es wäre zu gefährlich gewesen, auf die Plattform hinauszugehen und Pawel allein zu lassen. Sie begnügte sich damit, eine Zigarette und ihr Feuerzeug zwischen den Fingern zu drehen, und dabei überlegte sie, wie sie am besten Vorgehen sollte. Es sah so aus, als stellte niemand von den Fahrgästen im Abteil eine Gefahr dar, aber Nastja kannte die Strecke nicht und hatte keine Ahnung, wann die nächste Haltestelle kommen würde. Es konnte wer weiß wer zusteigen, ganz abgesehen davon, dass Sauljak sich davonmachen konnte, wenn sie ihn allein ließ.
    »Gehen wir«, hörte sie Sauljak plötzlich sagen.
    Er saß nach wie vor mit geschlossenen Augen da, die Arme über der Brust verschränkt, ein Bein über das andere geschlagen.
    »Wohin?«
    »Auf die Plattform. Sie möchten doch rauchen und wissen nicht, was Sie mit mir machen sollen.«
    »Danke«, sagte Nastja, bemüht, ihre Verblüffung zu verbergen.
    Er erhob sich und ging voraus zur Schiebetür. Auf der kalten Plattform lehnte er sich gegen die Wand, steckte die Hände in die Taschen und schloss erneut die Augen. Nastja hatte den Eindruck, dass er im Stehen schlief.
    »Sie rauchen nicht?«, fragte sie, während sie den Rauch ihrer Zigarette tief und genussvoll inhalierte.
    »Nein.«
    »Haben Sie nie geraucht?«
    »Nein.«
    »Sagen Sie mal, Pawel, interessiert es Sie wirklich nicht, wie ausgerechnet ich Sie bis nach Moskau bringen will?«
    »Nein.«
    »Aber Sie haben mir versprochen, dass Sie auf mich hören werden. Bleibt es wenigstens dabei?«
    »Ja, wenigstens dabei bleibt es.«
    Während der restlichen Fahrt bis zur Innenstadt schwiegen sie. Sauljak saß wieder mit geschlossenen Augen da, Nastja sah aus dem Fenster und dachte nach. Die Männer in dem grauen Wolga hatten sie gesehen, das war gut, denn nun konnten sie davon ausgehen, dass auch sie sie gesehen und sich ihre Autonummer gemerkt hatte. Was immer sie mit Pawel vorhatten, sie war jetzt eine gefährliche Zeugin geworden, und natürlich musste diese Zeugin beseitigt werden. Aber bevor sie das tun konnten, mussten sie herausfinden, wer sie war.
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