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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Alma und Vitória konnte gar nicht
erst entstehen.
    »Mamãe«, wandte sich schließlich Vitória an ihre
Mutter, »seit wann wissen Sie von Pedros Besuch?«
    »Ach Liebes, es ist unverzeihlich von mir, dass
ich dir erst heute Bescheid sage. Als mich der Brief erreichte, das war vor
etwa drei Tagen, ging mir so viel anderes im Kopf herum, dass ich darüber ganz
vergessen habe, dich zu informieren.«
    »Schon gut. Wie viele Leute bringt er denn mit?«
    »Wahrscheinlich drei. Stell dir vor, einer davon
ist João Henrique de Barros, und wenn ich mich nicht sehr täusche, heißt so der
Schwiegersohn der Cousine von Prinzessin Isabel!«
    »Mamãe, Ihre profunde Kenntnis des kaiserlichen
Stammbaums in allen Ehren – aber was hat das schon zu bedeuten? Erstens ist João
Henrique de Barros kein ganz seltener Name. Zweitens könnte der Mann, sollte er
wirklich der Schwiegersohn von Dona Isabels Cousine sein, ja auch ein gewöhnlicher
Straßendieb sein.«
    »Kind!«
    Sie hatten diese Diskussion schon oft geführt,
und nie kamen sie zu einem Ergebnis. Dona Alma war davon überzeugt, dass die
richtige Abstammung mehr wert war als alle Tugend und alles Geld dieser Welt.
Warum sie jemals die Frau von Eduardo da Silva geworden war, hatte Vitória bis
heute nicht verstanden. Als die beiden heirateten, war Eduardo da Silva nichts
weiter gewesen als ein Bauer – der über genügend Köpfchen und Weitsicht verfügte,
nach Brasilien auszuwandern und sich auf den Kaffeeanbau zu spezialisieren.
    Sein Fleiß sowie die weltweit steigende
Nachfrage nach dem »grünen Gold« machten Eduardo da Silva innerhalb kurzer Zeit
zu einem reichen Mann – aber nur einem Zufall verdankte er seine Erhebung in
den Adelsstand. Nachdem er einem unbedeutenden Mitglied der Kaiserfamilie nach
dessen Reitunfall zu Hilfe geeilt war und ihm dadurch das Leben gerettet hatte,
wurde er von Dom Pedro II. dafür mit dem Titel eines Barons belohnt. Aus
Eduardo da Silva, einem portugiesischen Einwanderer, der sich aus kleinsten
Verhältnissen zum Herrn von Boavista emporgearbeitet hatte, wurde der Barão de
Itapuca. Und Dona Alma, einzige Tochter verarmter Landadliger aus Portugal, war
endlich von der Schmach befreit, unter ihrem Niveau geheiratet zu haben.
    »Haben Sie sich schon Gedanken über das Menü
gemacht? Ich meine, wenn die Herren so bedeutend sind, müssen wir sie ja tüchtig
beeindrucken. Was gar nicht so leicht werden dürfte, denn von der Trüffelterrine
und dem italienischen Schinken ist nichts mehr übrig.«
    »Nun ja ... dir und Luiza wird schon etwas
einfallen«, erwiderte Dona Alma ausweichend. Luiza war die Köchin, die schon
seit Urzeiten im Haushalt der Familie arbeitete und die sich dank ihrer
Erfahrung durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. »Begleitest du mich nun bitte
auf mein Zimmer, ich muss ein wenig ruhen.« Typisch, dachte Vitória. Sie
reichte ihrer Mutter den Arm und führte sie zum Treppenabsatz. Kaum lagen außergewöhnliche
Umstände vor, kaum waren etwas mehr Erfindungsreichtum und Aktivität gefragt,
fiel es Dona Alma ein, unpässlich zu werden. Wie ungerecht das war! Sie, Vitória,
musste mit ihren siebzehn Jahren all die Verantwortung für den reibungslosen
Ablauf des Alltags im Haus tragen, und wie dankte ihre Mutter es ihr? Durch
eine Leidensmiene, die ihrem Gegenüber jedwede Kritik im Halse stecken bleiben
ließ.
    Vitória beschloss, dem Wunsch ihrer Mutter, sie
hinaufzubegleiten, diesmal nicht nachzukommen. Zu viel war zu erledigen, als
dass sie überhaupt die Zeit für die mühselige Prozedur gehabt hätte. Ihre
Mutter musste auf dem Weg in ihr Zimmer gestützt werden, und wenn sie erst
einmal in ihrem Lehnstuhl saß, verlangte es sie nach einer Decke, ihrem
Gebetbuch, ihrer Stickarbeit oder, was Vitória heute um jeden Preis vermeiden
musste, nach einem Gespräch über die Krankheit, durch die der Herrgott sie
ihrer Meinung nach Demut lehren wollte.
    »Miranda, komm her und hilf Dona Alma auf ihr
Zimmer!«
    »Sehr wohl, Sinhá Vitória.« Das Mädchen, das an der Tür zum Speisesaal
darauf gewartet hatte, dass sich die Familie vom Tisch erhob, damit sie abräumen
konnte, rannte herbei.
    »Gemessenen Schrittes, Miranda. Im Haus wird
nicht gelaufen es ist ein Ort der Ruhe und Behaglichkeit, und so soll es auch
bleiben.« Vitória sah das Mädchen scharf an. »Und sobald du Dona Alma mit allem
versorgt hast, was sie braucht, kommst du wieder her. So schnell du kannst –
aber gemessenen Schrittes,
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