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Amors Glücksfall (German Edition)

Amors Glücksfall (German Edition)

Titel: Amors Glücksfall (German Edition)
Autoren: Johanna Wasser
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stehen und mustere einen der Kleiderhaufen. Es sind Männersachen, ordentlich gefaltet. Offensichtlich hat sie einen Freund und nicht genug Platz im Kleiderschrank. „Irgendwie beruhigend“, denke ich und hoffe nun nicht länger auf eine nackte Frau, sondern auf eine leere Wohnung. Wer weiß, wie eifersüchtig der Kerl ist?
    Zwei Minuten später ist es amtlich: Ich bin allein, selbst wenn das Domizil auch leer nicht gerade nach meinem Geschmack ist. Ich schlendere in die Küche, ziehe die Kühlschranktür auf und nehme mir ein Stück Fleischwurst heraus. Es ist so sauber, wie bei mir in den Stunden, nachdem die Putzfrau gerade gegangen ist. Die Küche ist rot gestrichen. Ein bisschen viel Farbe vielleicht. Der Raum sieht aus, als würde hier oft gekocht. Über dem Herd glitzern kleine Flecken, wie von herumspritzendem Fett. An der Wand neben dem Kühlschrank sehe ich Postkarten. Auf einer davon ist ein Kussmund abgebildet. „Lorenzo, du bist ein Schatz“, steht da. Ihr Freund heißt also Lorenzo. Ich gehe durch den Flur zurück Richtung Schlafzimmer und sehe mich unterwegs nach der Tür zum Bad um. Zähne putzen kann ich hier nicht, aber wenigstens aufs Klo gehen. Während ich den WC-Deckel hochnehme, höre ich das Telefon klingeln und im gleichen Moment überfällt mich erneut der pochende Kopfschmerz. „Lorenzoschatz“, sagt eine weibliche Stimme besorgt. „Ich hoffe, dass bei dir alles in Ordnung ist! Bitte ruf mich an, ja?“ Das mit dem Entspannen kann ich jetzt wohl vergessen.
    Ich stütze mich mit der Hand an der Wand gegenüber ab und sehe mich im Halbdunkeln um. Auch hier ist es sauber und aufgeräumt. Trotzdem beschleicht mich auf einmal der Verdacht, dass ich mich nicht in einer Frauenwohnung befinde. Und irgendwie geht mir gerade der Glaube verloren, dass sie hier zusammen wohnen. Neben mir stehen auf einem Regal tausende Parfumflaschen. Wenn ich das richtig sehe, ist es das einzige Regal mit Parfum. Und ich kann keinen einzigen Frauenduft entdecken. Für einen atemlosen Moment erstarre ich. Wo hat sie mich hingeschleppt? Trotz Kopfschmerz kombiniere ich schnell. Vielleicht sogar zu schnell, weil mir schwindelig und geradezu übel wird. Es ist keine Frauenwohnung! Und die Teddybärenbettwäsche und bunte Klamotten? Einem Mann würde es hier allerdings, wie mir jetzt, den Hals zuschnüren. „Irgendwas stimmt hier nicht“, denke ich und fasse mir an den Kopf. Statt dichter Haare mit vielleicht etwas viel Wachs darin, spüre ich allerdings nur nackte Haut, zucke zusammen und drehe mich um. Unwillkürlich muss ich an einen meiner Mitarbeiter denken. Der Glatzkopf, der mir im Halbdunkeln aus dem Spiegel entgegensieht, erinnert mich an ihn.
    Ich mache einen Schritt Richtung Waschbecken, drehe das kalte Wasser auf und spritze es mir minutenlang ins Gesicht. „Was für ein blöder Witz ist das hier?“, frage ich mich. Sofort versuche ich mich zu beruhigen. „Gleich wird der Schlüssel in der Tür umgedreht und meine umwerfende Blondine betritt halbnackt die Wohnung“, denke ich, greife zum Handtuch, trockne mir die Augen ab und schalte das Licht an. Als ich meinen Kopf hebe und in den Spiegel sehe, wünsche ich mir, wieder auf der Intensivstation zu sein.
    Ich drehe mich Richtung Toilette um. Der Mageninhalt steigt mir schwallartig die Speiseröhre hinauf. Gerade rechtzeitig beuge ich mich nach vorne. Minuten später stürze ich, ohne das Licht auszumachen, in den Flur zurück, schwanke in die Küche, hole eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank heraus und kippe ihren gesamten Inhalt in mich hinein. Nachdurst! So gut kann die Nacht gar nicht gewesen sein, als dass sich das hier wieder bezahlt machte. Ich starre eine Weile die Postkarten vor mir an. Der Kussmund macht mich jetzt richtiggehend aggressiv. „Ein- und ausatmen!“, befehle ich mir in Gedanken: „Drehe dich um, gehe ins Schlafzimmer, suche deine Klamotten zusammen und verschwinde hier!“ Tatsächlich hört der Körper auf meine Worte, der Herzschlag beruhigt sich nach und nach. Ich gehe an der offenen Tür des Badezimmers vorbei, bleibe nur kurz davor stehen. Das Licht ist noch an. Ich gehe weiter, betrete den Schlafraum. Meine Sachen sind nirgends zu finden. Und das Bett, in dem ich vorhin wachgeworden bin, macht mich ebenso aggressiv wie der Kussmund auf der Postkarte. Wie der Kussmund und die AB-Nachricht und wie auch diese Sache im Bad. Mir wird wieder schlecht. Etwas zieht mich förmlich in den Flur zurück, dann weiter ins Bad.
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